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Totenfeuer

Totenfeuer

Titel: Totenfeuer
Autoren: Susanne Mischke
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außer Kontrolle geraten sollte. Aber auch jetzt gibt es hier schon einiges zu löschen. Ein Bierchen geht immer, kleine Schnapsfläschchen werden hinterhergekippt, auf dem Grill bräunen rote und weiße Bratwürste und Schweineschnitzel, angepriesen als Schinkengriller.
    Völxen steigt vom Rad. Wie gut es doch tut, wieder eine aufrechte Körperhaltung anzunehmen. Er schließt sein Gefährt an Sabines Hausfrauenrad an, denn man kann nicht vorsichtig genug sein. Sein neues Fortbewegungsmittel hat fast ein halbes Monatsgehalt gekostet.
    Die Feuerstelle liegt vom kulinarischen Zentrum ungefähr zweihundert Meter weit weg, was den Vorteil hat, dass man beim Essen und Trinken nicht von Rauch und Funkenflug belästigt wird. Aber im Allgemeinen halten sich die erwachsenen Besucher des Osterfeuers ohnehin nur kurz in der Nähe der Flammen auf, dafür umso länger an den Biertischen. Dorthin zieht es nun auch Völxen. Das Feuer wird er sich ansehen, wenn es dunkel ist und der Haufen richtig brennt, im Augenblick holt man sich dort oben nur eine Rauchvergiftung.
    Heute wird die Vereinskasse der Landjugend, die das Feuer organisiert, sicherlich gut aufgefüllt werden, denn bei diesem Anlass wird erfahrungsgemäß reichlich getrunken. Auch das Wetter spielt mit. Der Apriltag war warm und sonnig, noch immer weht ein lauer Wind, der einen Hauch von Schweinemist heranträgt. Der Abendhimmel ist klar, nur über dem Deister hängen ein paar dünne Schleierwolken, rot eingefärbt von der untergehenden Sonne.
    Völxen zieht ein großes Stofftaschentuch aus seiner Hosentasche und wischt sich damit den Schweiß von Stirn und Nacken. Was sind das für komische Stiche in der Lunge? Er beschließt, die Zeichen der Überanstrengung einfach zu ignorieren, was ihm nicht schwerfällt, denn nun steigt ihm der Duft von Gegrilltem in die Nase. Er sieht sich um. Seine Frau Sabine unterhält sich mit der Frau des Bürgermeisters und dem Pfarrer, Tochter Wanda flirtet mit einem Mitglied der Feuerwehr – die Damen seines Hauses sind also beschäftigt. Eine gute Gelegenheit, eine Wurst zu essen und zu testen, wie das Bier hier oben, einhundertsiebenundvierzig Meter über Normalnull, so schmeckt. Die Würste allerdings haben ihre Garzeit schon seit einer Weile überschritten und sehen Vanillestangen ähnlicher als Würstchen, also bestellt Völxen lieber einen Schinkengriller. Der jugendliche Grillmeister, der über seiner Tätigkeit fast einzuschlafen droht, reicht ihm ein großes, fettglänzendes Stück Schweinefleisch, eingebettet in zwei Brötchenhälften.
    »Senf und Ketchup.« Der Junge deutet auf zwei verschmierte Plastikflaschen auf dem improvisierten Tresen und gähnt dabei unverhohlen.
    »Völxen, setz dich zu uns!« Auch Jens Köpcke und seine Frau Hanne sind inzwischen an ihrem Ziel angekommen und haben sich zu drei lodengrün gekleideten Herren und zwei Damen an den Tisch gesetzt. Völxen ist nicht scharf auf die Gesellschaft der Waidmänner, aber die Einladung auszuschlagen wäre ein Affront. Also lässt er sich mit einem Gruß neben Hanne Köpcke auf der Bierbank nieder. Deren Ehemann stellt eine Flasche Gilde vor Völxen hin. Ein großer Schluck entschädigt den Kommissar für die zurückliegenden Strapazen, händereibend nimmt er seine Mahlzeit ins Visier. Natürlich ist ihm klar, dass Schweinefleisch eine Todsünde ist, aber diesen Happen hat er sich jetzt redlich verdient. Bei der Bergfahrt haben seine Muskeln garantiert eine Menge Kalorien verbrannt, und für ein paar Minuten wird man eine Diät ja wohl auch mal unterbrechen dürfen.
    »Guten Abend zusammen. Rück doch mal, Bodo.« Schon pflanzt sich Sabine neben ihn auf die Bank, und Völxen, der keine Lust auf einen ihrer Vorträge hat, schiebt den Schinkengriller dezent zu Jens Köpcke hinüber. Geistesgegenwärtig erkennt der Nachbar die Brisanz der Situation, zwinkert Völxen komplizenhaft zu, und gleich darauf muss dieser zusehen, wie sein Gegenüber herzhaft in das saftige Fleisch beißt, während es ihm selbst geht wie dem pawlowschen Hund. Für einen sehnsüchtigen Moment denkt der Kommissar an seine Mitarbeiterin Oda Kristensen. Sie hat ihn und Sabine eingeladen, die Ostertage in Frankreich zu verbringen. Im Dorf ihres Vaters gäbe es günstige Ferienwohnungen und zwei exzellente, preiswerte Restaurants, hat sie ihn gelockt und hinzugefügt: »Du musst auch keinen Lammbraten essen, versprochen.« Er hat abgelehnt mit dem Hinweis auf liegen gebliebene Arbeit in Haus und
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