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Totenfeuer

Totenfeuer

Titel: Totenfeuer
Autoren: Susanne Mischke
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es so viele Sauen gibt«, lenkt Sabine Völxen von dem traurigen Thema ab.
    »Richtig. Mais für Biosprit, der schiere Irrsinn!«, pflichtet ihr Köpcke bei, der damit bei seinem Lieblingsthema angekommen ist: dem Wahnsinn des weltweiten Agrarwesens im Allgemeinen und den Zumutungen der Agrarpolitik der EU im Besonderen.
    »Der Mais ist schuld und der Klimawandel, vor allem die milden Winter!«, ergänzt Lammers.
    Nachdem man sich lang und breit über die Verfehlungen der EU -Politik verbreitet und auch Völxen eine Lage Bier spendiert hat, meint Sabine: »Wollen wir mal Wanda suchen und zusammen zum Feuer gehen?«
    Völxen ist dankbar für diesen Vorschlag. Als er aufsteht, merkt er die drei Bier. »Ich muss was essen!«
    »Tu das«, rät ihm Sabine. »Ich koche heute sowieso nicht mehr. Warum hast du denn Köpcke deinen Schinkengriller gegeben?«
    Völxen kauft sich eine rote Bratwurst mit viel Senf, die er hastig verschlingt. Wanda kreuzt ihren Weg, und zu dritt gehen sie den Feldweg entlang und nähern sich dem prasselnden Feuer. Auch in diesem Jahr ist wieder ein gewaltiger Haufen Brandgut zusammengekommen, und das Feuer braucht die Konkurrenz der Nachbardörfer nicht zu fürchten. Schön, dass wir mal wieder was zusammen unternehmen, denkt Völxen. Sind selten geworden, diese Anlässe.
    Während sich Sabine und Wanda den Flammen nähern, bleibt Völxen am Wegrand stehen und wendet sich nach Norden. Von hier oben hat man einen weiten Blick über die Landeshauptstadt und darüber hinaus. Sein Jagdrevier. Die andere Welt, in die er eintaucht, sobald er dieses Dorf verlässt und den Dienst antritt. Die Stadt funkelt wie ein Teppich aus Tausenden von Lichtern, darüber wölbt sich ein orangefarben leuchtender Himmel. Die dunklen Stellen am Boden sind die Eilenriede, das große Waldgebiet, das Hannover durchzieht, und der Maschsee.
    Völxen war ein Stadtkind, aber die Ferien verbrachte er immer bei seinem Großvater auf dem Land. Großvater Friedhelm hatte einen Hof in Isernhagen, züchtete Hannoveraner und baute Obst an. Fragt man Völxen nach dem Beruf seines Vaters, wird er jedoch schweigsam. Von Jugend an war ihm dessen Beruf peinlich, und das ist sogar noch heute so, obwohl sein Vater schon seit fünf Jahren tot ist. Denn es ist Bodo Völxen so oft passiert, dass, kaum dass er das Wort Friseur ausspricht, automatisch – ausgesprochen oder nicht – die Frage im Raum steht. Nein, er war nicht schwul! Otto Völxen wurde vermutlich nur deshalb Friseur, um sich von seinem dominanten, kernigen Vater abzugrenzen. Friedhelm Völxen war ein kräftiger Hüne, der selbstverständlich einen »richtigen Kerl« aus seinem zarten Ältesten machen wollte – und natürlich einen Bauern. Nein, Otto Völxen war nicht schwul, er war vielmehr ein ziemlicher Hallodri, der Völxens Mutter verließ und zu einer anderen Frau zog, als sein Sohn Bodo fünfzehn war. Ein weiterer Grund, weshalb Völxen nicht gerne über seinen Vater spricht. Ihr Verhältnis war seither getrübt, und was Charakter und Statur betrifft, kommt Völxen ohnehin ganz nach seinem Großvater Friedhelm.
    »Jetzt wird mir klar, warum du Polizist geworden bist!«, hat Oda Kristensen seinerzeit ausgerufen, als sie davon erfahren hat. »Abgrenzung, der Klassiker. Ein Machoberuf musste her.«
    »Stimmt. Ursprünglich wollte ich Boxer werden.«
    »Warum nicht Bauer?«
    »Den Hof erbte mein Onkel, der hat ihn im Plümecke versoffen. Und zum Boxer hat es leider nicht gereicht.«
    Heute erkennt Völxen sehr wohl die feine Ironie des Schicksals: Als sich Wanda vor gut einem Jahr in einen Bauernsohn verliebte und verkündete, sie wolle Biobäuerin werden, war er derjenige, der sich am meisten darüber aufgeregt hat. Die Beziehung der beiden ging kurz nach Weihnachten in die Brüche, über die Gründe hat sich seine Tochter ausgeschwiegen. Sie hat lediglich verlauten lassen, dass sie nun nicht mehr Landwirtschaft studieren möchte, sondern »was mit Medien«. Zurzeit macht sie ein Praktikum bei Leine- TV , einem privaten Fernsehsender, was Völxen wiederum für Zeitverschwendung hält. Allerdings ist er nicht nach seiner Meinung gefragt worden.
    Er versucht, im Nachtglühen der Stadt seine Arbeitsstelle auszumachen, die Polizeidirektion Hannover. Schräg links vom Maschsee müsste sie liegen … Als ihm bewusst wird, was er da tut, schimpft er sich einen Idioten, wendet sich ab und nähert sich dem Feuer. Der riesige Haufen ist schon ein gutes Stück heruntergebrannt, in der
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