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Totenfeuer

Totenfeuer

Titel: Totenfeuer
Autoren: Susanne Mischke
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Privatfernsehsenders, wie die Aufschrift Leine- TV an den Türen verrät. Völxen lässt Jule stehen, hält wie ein Kampfstier auf das Auto zu und ruft: »Sehen Sie nicht, dass hier abgesperrt ist? Verschwinden Sie auf der Stelle, Sie behindern die Arbeit der Feuerwehr und der Polizei!«
    Der Fahrer hat angehalten und die Scheibe heruntergelassen. Er entgegnet etwas, das Jule nicht hören kann, dafür versteht sie umso besser das Gebrüll ihres Vorgesetzten: »Wenn Sie nicht sofort verschwinden, lasse ich Sie auf der Stelle festnehmen!«
    Der Fahrer legt den Rückwärtsgang ein, und der Wagen holpert den Feldweg wieder zurück. Jule wundert sich. Es ist schließlich nicht das erste Mal, dass die Presse an einem Tatort oder einem Leichenfundort auftaucht, und für gewöhnlich ist es eher Fernando, der sich mit Reportern anlegt, während ihr Chef sich mit den Herrschaften meist friedlich arrangiert. So wütend und unbeherrscht wie eben hat sie Völxen noch nie erlebt.
    Kaum hat sich der Wagen ein paar Meter entfernt, geht Völxen mit großen Schritten auf seine Frau zu, die neben Fernando hinter dem Absperrband stehen geblieben ist. Er zeigt mit dem Finger auf den Wagen. »Hast du das gesehen?«, ruft er anklagend und verkündet dann: »Eins sage ich dir: Wenn Wanda dahinter steckt, dann gnade ihr Gott!«
    Sabine Völxen lässt die Drohung ihres Gatten offenbar kalt, sie zuckt nur mit den Schultern. Wieder nähern sich Scheinwerfer. Dieses Mal ist es der Wagen des Bestatters, dicht gefolgt vom VW -Bulli der Spurensicherung.
    Völxens Stimme hat wieder einen beherrschten Klang, als er endlich Fernando begrüßt und dann meint: »Gut, dass ihr da seid. Fernando, du knöpfst dir gleich mal die Landjugend vor. Wir müssen vor allen Dingen rauskriegen, wann jemand die Gelegenheit hatte, eine Leiche auf diese perverse Art zu entsorgen.«
    Oda Kristensen schließt die Haustür auf und schiebt ihren Koffer durch die Tür. Ihr Rücken schmerzt. Elf Stunden hat die Fahrt von Montélimar bis nach Isernhagen gedauert, dabei musste eine Packung Zigarillos dran glauben. Ursprünglich wollte Oda erst morgen zurückkommen, aber sie hat das Gefühl, dass sie den freien Ostermontag dringend braucht, nach acht Tagen allein mit ihrem Vater. Zum ersten Mal ist Veronika nicht mitgekommen. Eigentlich mag sie ihren französischen Großvater, aber sie meinte, es sei dort so langweilig. Nein, man kann eine Sechzehnjährige nicht dazu zwingen, ihre Ferien zwischen Ziegen und Weinbergen und ohne Highspeed- DSL -Anschluss zu verbringen, das hat Oda schließlich eingesehen.
    »Und diese Fresserei! Wenn wir bei Opa sind, wird ununterbrochen gegessen, ich werde viel zu fett davon. Und außerdem muss ich lernen.« Seit Veronika vor einem Jahr dem Rechtsmediziner Dr. Bächle bei einer Sektion zugesehen hat, hat sie den Wunsch, Medizin zu studieren, und verfolgt dieses Ziel mit erstaunlicher Beharrlichkeit.
    »Veronika?«
    Niemand antwortet, das Haus ist dunkel. Das war zu erwarten, zumal ihre Tochter die SMS nicht beantwortet hat, mit der Oda ihr verfrühtes Kommen angekündigt hat – in der Hoffnung, dadurch zu vermeiden, bei ihrer Ankunft einen Riesensaustall vorzufinden. Bestimmt ist sie mit Freunden unterwegs. Von der Autobahn aus hat Oda ein paar Osterfeuer leuchten sehen, vielleicht nimmt sie an einem der ländlichen Trinkgelage teil. Oda öffnet den Schuhschrank. Die flachen Schuhe sind alle am Platz, es fehlen die Pumps mit den höheren Absätzen. Also ist sie in der Stadt, kombiniert Oda. In einem Klub »feiern«, wie man das heute nennt, denn sie würde es nicht riskieren, ihre neuen Pumps auf irgendeinem Acker zu ruinieren.
    Es ist kühl im Haus, Oda fröstelt. Sie lässt den Koffer im Flur stehen, der kann bis morgen warten, und der Wein im Auto auch. Das meiste davon ist ohnehin nicht für sie, sondern für die Nachbarn und ihren Chef, und eine Kiste ist für Jule Wedekin. Auch schon wieder ein Jahr her, dass sie zu uns gekommen ist, fällt Oda ein. Zuerst war sie ziemlich ablehnend und skeptisch, was Jule anging. Die Neue erschien ihr mit gerade mal sechsundzwanzig Jahren sehr jung für diesen Job. Dies und ihre hervorragenden Zeugnisse und ihre Herkunft – alter hannoverscher Geldadel, der Vater Professor für Transplantationschirurgie an der Medizinischen Hochschule, die Mutter eine regional bekannte Pianistin – stimmten Oda höchst misstrauisch. Oda, die sich im Leben alles selbst erkämpfen musste, rechnete mit einem verwöhnten
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