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Tote Stimmen

Tote Stimmen

Titel: Tote Stimmen
Autoren: Steve Mosby
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zwischen die gekrümmten Finger fallen und fing dann wieder von vorne an. Mit den Münztricks konnte ich den Händen immer etwas zu tun geben, was mir half, ruhig zu bleiben.
    »Erzähl es mir.«
    Das tat sie. Toris letzter Freund, Eddie Berries, war ein dürrer kleiner Kerl mit langem braunem Haar. Er machte Musik, schien es aber, solange er noch nicht entdeckt war, unter seiner Würde zu finden, sich eine Arbeit zu suchen. Er nahm Drogen, benahm sich verrückt und hielt sich irgendwie für sehr wichtig, die Art von leicht künstlerisch angehauchtem Typ, der meint, die Welt sei ihm seinen Lebensunterhalt schuldig, sich dann aber insgeheim über die Leute lustig macht. Aber Tori hatte »kreative« Typen schon immer gemocht. Sie hatte eine Schwäche für so etwas.
    Wäre es nur das gewesen, hätte ich meine Abneigung vielleicht der Eifersucht zugeschrieben, aber irgendetwas an Eddie hatte mich von Anfang an gestört. Ich hatte ihn nur zweimal gesehen und konnte nicht genau sagen, woran es lag, aber es fing an, als ich sah, wie er auf besitzergreifende Weise den Arm um Tori legte, als sei sie sein Eigentum, auf das er ein Anrecht hatte. Da wusste ich gleich, dass er nicht gut für sie war. Sie schien zu sehr bemüht, ihm zu gefallen, und das mochte er wohl.
    Aber offenbar machte er sie glücklich. Natürlich hatte ich nicht gewusst, was sie mir jetzt erzählte: dass Eddie schon seit einiger Zeit ausgerastet war. Sein Drogenkonsum hatte zugenommen, er hatte die Beherrschung verloren, war immer labiler geworden und übte eine immer stärkere Kontrolle über ihr Leben aus. Tori musste jeden Tag Medikamente nehmen, aber Eddie hatte in seiner Weisheit befunden, dass das nicht gut für sie sei. Es sei eine Schwäche, sich auf Tabletten zu verlassen, meinte er, und hatte sie schließlich überzeugt, das Lithium wegzulassen und sich auf »natürliche« Weise ihrer Krankheit zu stellen. Seit damals hatte es auch Streit und Einschüchterungen gegeben. Eddie demütigte sie immer wieder, sagte ihr, was alles mit ihr nicht stimme, dass sie überhaupt nicht an ihn herankäme und welches Glück sie hätte, ihn zu haben. Als Folge dieses Katz-und-Maus-Spiels mit Toris Selbstachtung war sie geradezu manisch geworden.
    Letzten Mittwoch war die Situation zwischen den beiden eskaliert, als Eddie vollkommen durchdrehte und sie zusammenschlug. Tori wurde in die Klinik eingeliefert, wo sie über Nacht blieb. Am nächsten Tag hatte man sie ihrer eigenen Sicherheit zuliebe in die Anstalt in Staunton eingewiesen.
    Obwohl Tori hin und wieder vom Thema abschweifte, kam die Geschichte einfach und schnell heraus. Als sie zu Ende erzählt hatte, hielt ich immer noch die Münze in der Hand, und mein Gesicht fühlte sich völlig versteinert an.
    »Ist mit dir sonst alles in Ordnung?«, sagte ich. »Körperlich, meine ich.«
    »Mein Gesicht ist grün und blau.«
    Sie lachte. Ich nicht.
    »Und die Polizei?«
    »Sie suchen ihn. Er ist untergetaucht.«
    Ich legte die Münze hin. »Wie lang, meinst du, wirst du in der Klinik bleiben?«
    »Ich weiß nicht. Bis sie meinen, dass ich gehen darf. Mindestens eine Woche.«
    »Aha.«
    »Aber ich kann Besuch bekommen. Wenn du Lust hast, mich zu besuchen? Es ist so langweilig hier.«
    Auf dem Monitor hatte sich der Bildschirmschoner eingeschaltet. Der halbfertige Artikel war einen Tastendruck entfernt, aber es würde ja nicht lange dauern. Außerdem musste ich auch an Emma denken. Aber sie hatte noch einen Wohnungsschlüssel, und vielleicht würde meine Abwesenheit, wenn sie kam, um ihre Sachen abzuholen, es für uns beide einfacher machen. Sonst würde ich wahrscheinlich einen törichten Versuch unternehmen, sie zurückzuhalten, was für die Beziehung etwa das Gleiche wäre, wie wenn man sich verzweifelt auf den Sarg eines Verstorbenen wirft.
    »Um wie viel Uhr?«, fragte ich.
    »Zwischen zwei und fünf. Du brauchst nicht die ganze Zeit zu bleiben. Es wäre einfach schön … jemanden zu sehen.«
    »Gut, ich komme.«
    »Das ist super. Danke.«
    Ich versuchte zu lächeln.
    »Kein Problem.«
    »Du bist so ein guter Freund, Dave. Ehrlich.«
    Ich wünschte, es wäre wirklich so. Ich hatte nicht das Gefühl, ein guter Freund zu sein.
    »Ich muss nur noch was fertigschreiben«, sagte ich. »Bis bald.«

2
    Sonntag, 7. August
    E s war der Geburtstag seines Sohnes, und Sam Currie war auf dem Weg quer durch die Stadt, um ihn zu besuchen. Als sein Handy klingelte, hieß das, dass er auf keinen Fall abnehmen würde.
    Kein
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