Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tote Stimmen

Tote Stimmen

Titel: Tote Stimmen
Autoren: Steve Mosby
Vom Netzwerk:
voller Schwung und Lachen und Hoffnung gewesen. Die Stimme am Telefon war ausdruckslos und schwach.
Hilf mir
. Sie klang nicht nach Angst. Sondern es hörte sich an, als kauere Alison in der Ecke eines leeren Zimmers und flüstere diese Worte, um einen bösen Geist von sich fernzuhalten, als wüsste sie aber andererseits, dass es auf der ganzen Welt niemanden gab, der sie noch hörte.
    Hilf mir.
    Dann eine Pause und ein Geräusch wie vorbeiwehender Wind.
    Hilf mir.
    Egal, was er sagte, sie wiederholte immer nur das eine.
Hilf mir.
Ein paar Sekunden danach hatte Roger aufgelegt und war losgerannt.
     
    Um Viertel nach drei Uhr morgens kam er vor Alisons Haus zum Stehen, stützte die Hände auf den Knien ab und atmete wie ein Profisportler tief ein und aus.
    Das Gebäude lag wie alle anderen in der Straße dunkel und still da. Es war eine ruhige Wohngegend, nicht weit außerhalb der Stadtmitte. Um diese Zeit war niemand wach. Autos in schattigen Einfahrten waren über Nacht mit dunklen Schutzplanen zugedeckt, und die Häuser dahinter schliefen genauso wie ihre Bewohner. Das einzige Geräusch war das einsame Summen der Straßenlaternen. Nachdem er wieder zu Atem gekommen war, hob Roger den Kopf und sah einen einzelnen Nachtfalter geräuschlos auf die nächste Laterne zufliegen. Er hatte das Gefühl, als sei der Falter außer ihm selbst das einzige Lebewesen im Umkreis von Meilen.
    Er ging den kurzen Weg zu Alisons Haus hoch und wollte gerade klopfen … zögerte aber. Plötzlich wusste er gar nicht genau, weshalb er eigentlich hier war. Als er zurückdachte, konnte er sich nicht mehr recht erklären, wieso der Anruf so stark auf ihn gewirkt hatte, er wusste nur, dass sich ihm die Nackenhaare gesträubt hatten. Er erinnerte ihn an diese verrauschten Bänder, die man in Dokumentarsendungen über Geistererscheinungen hörte, wo aus irgendeinem Kratzgeräusch plötzlich das Lachen eines alten Mannes wurde.
Hilf mir,
hatte sie zu ihm gesagt, aber dem Klang ihrer Stimme nach war es schon zu spät.
    Eine Brise kam auf. Hinter ihm raschelten die Hecken.
    Roger fröstelte. Dann klopfte er.
    Als er mit der Hand daran stieß, ging die Tür nach innen auf. Sie war angelehnt gewesen, öffnete sich jetzt mit einem Knarren und gab den Blick auf einen Teil der nächtlichen Küche frei. Er horchte.
    Hörte …
    Etwas.
    Roger stieß die Tür weiter auf, trat ein und begriff, was für ein Geräusch es war. Das Summen von Fliegen, die auf geradem Kurs durch die Küche flogen, auf ihn zusurrten und dann abdrehten. Er schaltete das Licht an und sah, was hier so interessant für sie war. Der Raum war verdreckt. Ein paar gebrauchte Teller standen auf der Arbeitsplatte, die Pastasoße darauf war angetrocknet und rissig wie alte Haut, und darauf saßen kleine weiße Schimmeltupfer wie Pfeffer. Ein anderer Teller ragte aus der vollen Spüle heraus wie eine blasse Flosse. Das Wasser war von einer matten, halb durchsichtigen Hautschicht bedeckt.
    Mein Gott, der Geruch …
    »Alison?«
    Die dunkle Wohnung saugte das Wort auf und gab nichts zurück.
    Er ging ins Wohnzimmer und tastete schnell nach dem Lichtschalter. Die Dunkelheit fühlte sich allzu bedrohlich an, so als stünde jemand in einer Ecke und beobachtete ihn. Das Wohnzimmer zumindest war leer. Und auch sauberer als die Küche.
    Aber zu kalt, wie er sofort bemerkte. Als sei schon seit Tagen die Heizung aus.
    Die Holztreppe führte vom Wohnzimmer nach oben; er stieg vorsichtig hinauf und behielt den halbdunklen Treppenabsatz über ihm im Auge. Leicht zitternd fühlte er den gleichen Adrenalinstoß, den er früher gespürt hatte, bevor er zu den Wettläufen an den Start ging. Wieder war er sich sicher, dass etwas nicht stimmte. Alison hatte ihn von hier aus angerufen, aber man spürt beim Betreten eines Hauses, wenn es leer ist, und dieses hier fühlte sich nicht nur leer an, sondern verlassen.
    Auf dem Treppenabsatz nahm er den Geruch erst richtig wahr. Er stieß die Schlafzimmertür auf.
    Roger starrte schockiert auf das Bett, aber sein Gehirn weigerte sich zu akzeptieren, was er da sah. Es konnte nicht sein. Das Ding, das da lag, sah wie Alison aus – aber das war doch unmöglich, weil …
    Sein Handy klingelte.
    Er ließ es ein paar benommene Sekunden lang weiterklingeln. Dann nahm er es aus seiner Jackentasche, das Display leuchtete mattgrün. Schließlich schaute er darauf.
    Die Anruferkennung zeigte an:
    (Alison, Mobilnummer)
    Roger zitterte jetzt heftig und hob das Telefon ans
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher