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Tote Stimmen

Tote Stimmen

Titel: Tote Stimmen
Autoren: Steve Mosby
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Tisch zurück.
     
    Jetzt wünschte ich, ich könnte erzählen, dass es perfekt war. Aber das war es nicht. Es zeigte sich, dass Tori und ich sehr wenig gemeinsam hatten. Zum Beispiel trank sie keinen Alkohol, ich schon. In ihrer CD -Sammlung gab es hauptsächlich Frauen, die leise akustische Gitarre oder Klavier spielten. Ich dagegen mochte härtere Kost, wagte aber nie, meine eigenen Sachen aufzulegen, um sie nicht zu verletzen. Ich sah mir im Kino den größten Mist an, während sie sich mit obskuren ausländischen Kunstfilmen auskannte, die in den Programmkinos liefen und von denen sie aus irgendeinem Grund immer noch mehr sehen wollte. Und sie war wahnsinnig belesen, hatte Anglistik studiert und besaß Regale voller Lyrik und guter Literatur, über die sie tatsächlich auch
diskutieren
konnte. Wenn wir Zeit miteinander verbrachten, unterwarf ich mich immer einer gewissen Selbstzensur, weil ich wollte, dass wir zusammenblieben; aber eine solche Beziehung wird niemals halten.
    Unsere dauerte zweieinhalb Monate. Ich war mir selbst die meiste Zeit ein Rätsel und merkte, dass es ihr genauso ging. Wir mochten einander sehr, aber irgendwie war das nicht genug. Dass es kein Happy End geben würde, war vorauszusehen. Aber zumindest gab es ein Ende. An dem Abend, als es aus war, lagen wir in ihrer Wohnung im Bett nebeneinander, und unsere Arme berührten sich. Wir wussten beide, dass es vorbei war.
    »Hier sollte wahrscheinlich Schluss sein, oder?«, meinte Tori.
    Ich zwang mich, ihr nicht zu widersprechen. Etwas sagte mir, dass ich diese Sache nicht so verderben sollte, wie ich es bei anderen Gelegenheiten getan hatte.
    »Ich glaube, ja«, sagte ich. »Aber ich wollte nicht, dass es so läuft.«
    »Ich auch nicht. Es tut mir leid, dass es nicht geklappt hat. Wirklich.«
    »Können wir Freunde bleiben?«
    »Natürlich.« Wir umarmten uns, kuschelten uns aneinander, und sie lächelte und berührte mein Gesicht. »Für immer.«
    Ich sah sie an, und obwohl ich wusste, dass es so in Ordnung war, war ich trauriger als je zuvor. Niemals hatte ich eine Beziehung gehabt, die so endete. Es hatte immer Betrug oder Geschrei oder einfach zunehmende Gleichgültigkeit gegeben. Aber bei Tori fühlte sich das alles ganz anders an. Was immer zwischen uns funktionieren oder nicht funktionieren mochte, so war mir doch etwas an ihr wichtiger, als ich sagen konnte, und ich wollte, dass sie ein Teil meines Lebens blieb.
    »Wenn du mich jemals brauchst«, sagte ich, »werde ich für dich da sein. Egal, worum es geht.«
    Sie lächelte mir wieder zu. »Ich auch.«
    Und dann, so blöd es vielleicht sein mochte, liebten wir uns zum letzten Mal. Es war anders als sonst. Wir hatten dabei eine emotionale Verbindung, die in der Vergangenheit immer gefehlt hatte, vielleicht weil wir uns jetzt eingestanden hatten, dass wir nur Freunde waren, und zumindest das war etwas, das wir nicht vorzutäuschen brauchten.
    Mit der Zeit rückte Tori langsam, aber sicher an den Rand meines Lebens, aber meine Gedanken waren nie weit weg von ihr, und ich hörte nie auf, sie zu mögen. Denn was soll man sonst tun? Wenn einem ein Mensch wichtig ist, dann strengt man sich an, ihn nicht zu verlieren.
    Deshalb vergaß ich nie, was ich an jenem Abend gesagt hatte.
    Sollte sie mich jemals brauchen, würde ich da sein. Egal, worum es ging.
    Und zwei Jahre später fand ich heraus, was genau das bedeutete.
     
    Man hat nicht häufig die Gewissheit, den schlimmsten Tag seines Lebens hinter sich zu haben, aber für mich war es so. Damals traf das jedenfalls zu, denn ich wusste nicht, wie viel schlimmer alles noch werden sollte. Später war es dann einfach der Tag, an dem alles anfing, in die Binsen zu gehen.
    Ich wachte um acht auf und war fünf Minuten danach schon aufgestanden. So läuft das bei mir gewöhnlich; schon seit meiner Kindheit ist mein Körper so programmiert, dass er die Kerze am einen Ende abbrennt, ohne Rücksicht auf das, was sich am anderen Ende tut.
    Das andere Ende brannte also bereits, aber nicht, weil ich das so wollte. Meine Gedanken hatten mich am Abend zuvor wach gehalten. Sie waren auf der Suche nach etwas, und jedes Mal wenn ich fast eingeschlafen war, ergriffen sie diese Gelegenheit, um mich wieder aufzuwecken und mir zu zeigen, was sie gerade gefunden hatten. Hauptsächlich Dinge, die mit Emma zu tun hatten. Nichts davon war hilfreich, aber mein Unterbewusstsein brachte trotzdem all diesen Kram an die Oberfläche, wies auf gute und schlechte
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