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Tote Stimmen

Tote Stimmen

Titel: Tote Stimmen
Autoren: Steve Mosby
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Prolog
    A us dem Weg!«
    Roger Ellis rannte einfach weiter, nachdem er mit der Gruppe betrunkener Jugendlicher zusammengestoßen war. Den ersten erwischte er mit der Schulter, so dass er auf seine Freunde prallte. Einer rief etwas, aber da war Roger schon fort und wich einer weiteren Gruppe aus.
    Die Bars in der City schlossen, und auf den Gehwegen drängte sich die Menge. Mädchen in knappen Kleidchen stolperten mit verschränkten Armen fröstelnd und unsicher umher. Junge Kerle schimpften auf Rausschmeißer, stritten miteinander oder beugten sich in Taxifenster und verhandelten Fahrpreise. Die grellfarbigen Neonleuchten der Clubschilder spiegelten sich auf dem Pflaster, und Grölen und Buhrufe von der anderen Straßenseite unterbrachen immer wieder den gedämpften Lärm der Musik von drinnen.
    Bis vor wenigen Minuten war Roger ein Teil dieser Szene gewesen. Aber jetzt war all dies einfach nur ein Hindernis.
    Er rannte zwischen zwei anderen Gruppen hindurch und krachte, um die Ecke spurtend, in einen Jungen mit weißem T-Shirt, den er heftig gegen ein Geländer schleuderte. Roger hielt benommen eine Sekunde inne und sah ein Mädchen, das schockiert die Augen aufriss …
    »He!«
    … und dann rannte er schon wieder weiter, ohne die Freunde des jungen Mannes zu beachten, die von der Seite auf ihn zukamen, und fegte an der ausgestreckten Hand eines Rausschmeißers vorbei, der ihn zu packen versuchte. Man nahm lärmend seine Verfolgung auf. Aber Roger würde immer der Schnellere sein, das Geräusch seiner Verfolger verlor sich, und schließlich hörte er nur noch seine eigenen Schuhe klatschend auf dem Gehweg auftreffen.
    Zehn Jahre zuvor, mit neunzehn, war Roger einer der besten jungen Zehnkämpfer des Landes gewesen. Jetzt war er nicht mehr aktiv, arbeitete aber als Trainer mit Teenagern. Niemand würde ihn einholen, schon gar nicht jemand, der sich unsicher bewegte, weil er getrunken hatte.
    Er lief schneller, holte mit den Beinen weit aus, die Straßen flogen an ihm vorbei, die Nachtluft rauschte in seinen Ohren, und sein Herz pochte gleichmäßig. Um diese Zeit kam man laufend besser voran, als wenn man sich zu einem Taxi durchschlug, das sich dann durch die vollen Straßen kämpfen musste.
    Aber so schnell Roger auch laufen konnte, es war nicht schnell genug. Er wusste nicht, was passiert war, aber er war sicher, es musste etwas Schlimmes sein, und hatte das schreckliche Gefühl, zu spät zu kommen.
    Er bewegte sich nun aus dem Zentrum heraus, nahm eine weitere Straßenecke und überquerte die zahllosen Kreuzungen, durch die sich die Umgehungsstraße wie eine Narbe am Stadtrand hindurchzog. Scheinwerfer blendeten ihn, er hörte Reifen quietschen, das Dröhnen einer Hupe. Jemand rief ihm etwas zu.
    Roger beachtete es nicht, sondern konzentrierte sich auf die Straße, die vor ihm auf und ab zu schaukeln schien. Links ins Gewerbegebiet. Der Fußweg am Ende war in der Dunkelheit eine etwas riskante Abkürzung, aber er entschied sich trotzdem dafür.
    Die ganze Zeit über musste er immer wieder an etwas denken, das Karli vor zwei Wochen gesagt hatte.
    Als ob du am Telefon jemals mit jemandem reden würdest.
    Und das Gespräch hatte sich tatsächlich um sie gedreht, seine Ex-Freundin Alison. Roger hatte erwähnt, er habe schon eine ganze Weile nicht mehr mit ihr gesprochen, weil er aus irgendeinem kleinlichen Grund, den er inzwischen vergessen hatte, Karli eifersüchtig machen wollte. Aber sie hatte nicht angebissen. Stattdessen hatte sie zu ihm gesagt:
Du sprichst ja sowieso nie wirklich mit jemandem am Telefon.
Zuerst hatte Roger gedacht, sie meine ihn persönlich und wolle sein Verhalten kritisieren oder so etwas, aber sie meinte es ganz allgemein.
    Es klingt wie die andere Person
, erklärte sie.
Aber sie ist es nicht. Es ist nur ein Computer, der Informationen verarbeitet und ihre Stimme imitiert.
    So, wie sie es gesagt hatte, klang es ein bisschen enttäuscht – es ist also nicht einmal ein echter Mensch, der einen anlügt und hängenlässt. Vielleicht hatte sie also doch angebissen und war einfach nur schlauer als er. Was auch immer sie damit hatte sagen wollen, Roger hatte die Klappe gehalten und Alison nicht mehr erwähnt.
    Als er jetzt den Fußweg entlangrannte, dachte er wieder an den Anruf. Die Nummer auf dem Display war Alisons Festnetznummer gewesen, und als er abnahm, hörte er eine Stimme, die der ihren annähernd glich. Aber sie klang nicht nach Alison. Die Person, die er in Erinnerung hatte, war
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