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Tote Stimmen

Tote Stimmen

Titel: Tote Stimmen
Autoren: Steve Mosby
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ihn etwas, dass Linda ihm zuvorgekommen war.
    Ein paar knappe Worte waren in den Stein eingemeißelt.
    Geliebter Sohn.
    Endlich hast du Frieden gefunden.
    Gott behüte dich.
    Während er das las, kamen Currie weitere Schnappschüsse in den Sinn, aber er verdrängte sie.
    All das spielte keine Rolle mehr, weil die einzige Wahrheit, die noch zählte, in diesen Worten lag. Endlich hast du Frieden gefunden.
    Sein Telefon meldete sich wieder. Diesmal nahm er ab, und während er auf den Knopf drückte, sah er das Gras leicht in der Brise schwanken.
    »Currie«, meldete er sich.
    »Sam? Hier James. Tut mir leid, dass ich dich jetzt anrufen muss, aber wir haben hier einen wichtigen Vorfall, und ich dachte, du würdest es wissen wollen.«
    »Wer?«
    »Eine Frau in den Zwanzigern.« Swann hielt inne. »Sieht aus, als hätte jemand sie festgebunden und sterben lassen.«
    Das rüttelte ihn auf, denn das hatte er nicht erwartet.
    »Wie die im Mai?«
    »Ja.«
Und die letztes Jahr.
    »Gib mir die Adresse.«
    Das tat Swann.
    Currie unterdrückte den Impuls, die üblichen Fragen zu stellen. Swann arbeitete jetzt seit über zehn Jahren mit ihm zusammen, hatte die Sache bestimmt schon im Griff und alle losgeschickt.
    »Gib mir ’ne halbe Stunde.«
    »Sam … es tut mir leid.«
    »Das braucht es nicht. Bis nachher.«
    Currie steckte das Handy ein und drehte dann am Verschluss der Whiskyflasche: klick, klick, klick. Der Geruch entströmte der Flasche, er setzte sie an und ließ den Alkohol auf der Zunge und im Mundraum brennen und ihn mit dem seidigen Geschmack überziehen, bevor er schließlich hinunterschluckte. Sofort standen seine Kehle und der Brustkorb in Flammen.
    »Happy Birthday, Neil.«
    Er versteckte die Flasche, zugeschraubt und fast noch voll, hinter dem Grabstein. Natürlich konnte sie jemand mitnehmen, entweder ein Friedhofsgärtner oder ein Obdachloser – aber das wäre in Ordnung. Wahrscheinlich hätte Neil das gefallen.
     
    Eine halbe Stunde später stand Detective Sam Currie im Süden der Stadt an der Tür eines drückend warmen Zimmers und sah auf Alison Wilcox’ Leiche hinunter.
    Sie war am Morgen von ihrem Ex-Freund Roger Ellis gefunden worden. Ellis war jetzt zur Vernehmung auf der Polizeiwache, und Currie konnte sich denken, dass der Mann wahrscheinlich ziemlich traumatisiert war. Er selbst hatte in den letzten eineinhalb Jahren zwei solche Szenen mitbekommen, und der Anblick der Leichen schockierte ihn immer noch. Die Arbeit bei der Polizei hatte ihn mit vielen gewaltsamen Todesfällen konfrontiert, aber in diesem Fall war es nicht so sehr das Verbrechen an sich, das ihn entsetzt hatte, als vielmehr die Würdelosigkeit und Unmenschlichkeit der Tat – und vielleicht auch dessen, was nicht getan wurde.
    Alison Wilcox’ Leiche sah dünn und ausgezehrt aus. Ihre Haut war schlaff und gelb. Hände und Füße waren mit dicken Lederbändern an die Bettpfosten gebunden, und besonders die Hände sahen schrecklich aus: an den Handgelenken gekrümmt und zu wächsernen Klauen erstarrt. Aber wenn der Fall wie die anderen war, würden sie nur feststellen können, dass ihr wenig tatsächliche Gewalt angetan worden war, nachdem der Angreifer sein Opfer erst einmal überwältigt hatte. Um sie zu töten, hatte es nichts bedurft außer der Fesseln.
    Hinter ihm gingen die Kollegen von der Spurensicherung langsam durchs Haus, während vor ihm der Pathologe Chris Dale mit zur Seite geneigtem Kopf neben dem Bett kauerte und die Leiche betrachtete. Eine Schmeißfliege landete auf ihrem Oberschenkel, und Dale scheuchte sie weg. Sie setzte sich einen Augenblick später auf die Wange und begann, langsam im Kreis darauf herumzukrabbeln.
    James Swann stand neben ihm, steckte sich einen Kaugummi in den Mund und bot die Packung dann Currie an.
    Er nahm einen. »Danke.«
    »Kein Problem.«
    »Sieht genau aus wie die anderen. Es war richtig, mich anzurufen.«
    Swann antwortete nach kurzem Schweigen: »Es ist traurig, sie sich so vorzustellen, oder? So allein.«
    Currie nickte. Andere Kriminalbeamte hätten einen so emotionalen Satz nicht gebilligt, selbst wenn er auf so beherrschte Weise geäußert wurde. Aber dies war einer der Gründe, weshalb er und Swann so lange als Partner zusammengeblieben waren. Und es
war
ja auch traurig. Wenn man von der Annahme ausging, dass sie es mit dem gleichen Mörder zu tun hatten, war Alison Wilcox gefesselt und dann dem langsamen Tod durch Verdursten überlassen worden.
    Unter den Medizinern gab es
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