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Tote Pracht

Tote Pracht

Titel: Tote Pracht
Autoren: Marcia Muller
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und
sein Sohn bei einem Granatfeuer ums Leben. Gleich danach flog Perry nach
Kalifornien zurück.«
    »Und dann?«
    Hank zuckte die Achseln. »Er schrieb
sich bei der San Francisco State Universität ein und machte seinen Abschluß als
Betriebswirt. Er heiratete und bekam zwei Söhne. Vor etwa zehn Jahren wurde er
geschieden. Seitdem lebte er allein hier in dieser Wohnung. Er arbeitete für
eine eher mittelmäßige Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsfirma zwischen
dem Geary Boulevard und der Twenty-Second Street.«
    »Und wie bist du sein Anwalt geworden?«
    »Ich habe ihn zufällig wieder
getroffen, vor etwa fünf Jahren, im Churchill’s Pub. Ich erkannte ihn sofort
wieder — du hast recht, bis auf die kurzen Haare hatte er sich kaum verändert.
Dann kam er mit einem kleinen juristischen Problem zu mir, und von da an trafen
wir uns ziemlich regelmäßig im Churchill’s Pub.«
    »Wart ihr eng befreundet?«
    »Eigentlich nicht. Warum?«
    »Ich habe mich nur gefragt, warum er
ausgerechnet Wirtschaftsprüfer geworden ist und solch ein Leben führte.« Ich
zeigte auf die schlichte, biedere Küche, in der wir standen. »Das paßt doch
nicht zu seiner Vergangenheit.«
    »Ich habe ein paarmal versucht, darüber
mit ihm zu sprechen, aber er wechselte immer prompt das Thema.«
    »Und worüber habt ihr geredet?«
    »Über meine Arbeit. Über die Kanzlei.
Es interessierte ihn, wie eine kostengünstige juristische Sozietät funktioniert.
Außerdem interessierte er sich für Sport; er war ein Giants-Fan. Und für alte
Filme; er hat sich viele alte Filme angesehen, meistens welche aus den
dreißiger und vierziger Jahren. Aber ich hatte das Gefühl, daß persönlichere
Themen für ihn tabu waren.«
    »Was glaubst du, wodurch ist er so
geworden?«
    »Ich weiß es nicht, ich spürte es schon
in Vietnam. Er war damals noch nicht ganz so zugeknöpft, aber wenn jemand die
alten Zeiten in Berkeley aufs Tapet brachte, mußte Perry immer ganz schnell
irgendwohin.«
    Hank sah auf die Uhr. »Genug jetzt. Wir
müssen uns beeilen. Ich habe nur heute Zeit, die Wohnung auszuräumen. Die
Vermieterin möchte sie ab Montag potentiellen neuen Mietern zeigen.«
    Ich leerte meinen Kaffeebecher und
stand auf. »Was soll ich tun?«
    »Du könntest die Bücher und
Videokassetten und die anderen Sachen im Wohnzimmer in Kisten verstauen. Die
Heilsarmee holt am Montag alles ab.«
    »Und Hilderlys Söhne? Wollen die denn
nichts von den Sachen?«
    »Ihre Mutter sagte nein. Anscheinend
hatte er keine sehr enge Beziehung zu den Jungs. Ihre Mutter hat vor langer
Zeit wieder geheiratet, und sie leben alle drüben in Blackhawk — in der
schicken neuen Siedlung bei Danville. Aber die Kinder sind in seinem Testament
bedacht. Perry hat einige Jahre nach seiner Scheidung eine beträchtliche Summe
von seiner Mutter geerbt. Das Vermögen soll zwischen den beiden Söhnen
aufgeteilt werden.«
    »Ich verstehe. Dann werde ich mich an
die Arbeit machen.« Ich ging zur Tür.
    »Shar«, sagte Hank.
    Ich drehte mich um.
    »Danke für deine Hilfe. Das ist
sicherlich der schlimmste Teil einer Testamentsvollstreckung.«
    »Ich tu’s gern.«
    »Auch wenn Perry und ich uns nicht sehr
nahestanden — sein Tod hat mich doch ziemlich getroffen. Verstehst du?«
    Ich nickte. »Wahrscheinlich schon wegen
der Umstände seines Todes. Diese Schüsse aus dem Hinterhalt. Wenn die einzelnen
Fälle sich nicht auf mehr als drei Monate verteilt hätten, würde wahrscheinlich
jetzt Panik in der Stadt herrschen — ganz so wie damals, als der Zebra-Mörder
umging.«
    »Wahrscheinlich hast du recht. Ich bin
selbst schon ganz irr. Letzte Woche habe ich manchmal länger gearbeitet, und
beim Verlassen des Büros hätte ich schwören mögen, daß jemand sich vor der
Kanzlei herumdrückte.«
    »Reine Nervensache.«
    »Typische Großstadtkrankheit.«
    Ich ging über den Flur in das vordere
Zimmer und schleppte einen Karton zu dem Bücherschrank aus Ziegeln und
Brettern, der dem Erkerfenster gegenüber stand. Perry Hilderlys Bücher
behandelten Themen wie Buchhaltung, Steuergesetze, Mathematik, Statistik und
Investitionen. Es überraschte mich nicht, wie viele Fachbücher er besaß, aber
ich war erstaunt, daß ich überhaupt keinen leichten Lesestoff, keine
Zeitschriften, Romane oder Sachbücher zu anderen Themen fand. Unten im Regal
stieß ich schließlich auf ein paar Filmbücher: Bücher über den film noir, Krimis und einige Bände zu alten Fernsehserien wie Perry Mason. Ich
verstaute sie
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