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Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan
Autoren: Kathy Reichs
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schneiden‹ wollte er erreichen, daß sie wieder mit ihm sprach.«
    Ich sah Ryan an. »Dann wurde Gabby nicht nur von einem, sondern von zwei Männern verfolgt.«
    Ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen. Die Wunden in meiner Seele vernarbten nur langsam. Es würde noch lange dauern, bis ich an Gabby denken konnte ohne zu weinen.
    Ryan stand auf und streckte sich. »Wo ist Katy?« fragte er, um das Thema zu wechseln.
    »Sie ist Sonnencreme kaufen gegangen.« Ich machte den Koffer zu und stellte ihn neben das Bett.
    »Wie geht es ihr?«
    »Soweit ganz gut. Aber sie kümmert sich um mich, als wäre sie meine persönliche Krankenschwester.«
    Unwillkürlich kratzte ich an der Narbe an meinem Hals herum.
    »Vermutlich macht sie sich mehr Sorgen um mich, als sie zugibt. Natürlich weiß sie, daß es Gewalt auf dieser Welt gibt, schließlich sieht sie sowas ja jeden Abend im Fernsehen. Aber diese Gewalt ist in Los Angeles, Tel Aviv oder Sarajevo und wird immer den anderen angetan, nie einem selbst. Pete und ich haben Katy bewußt nicht erzählt, daß auch ich es in meinem Job oft mit den Auswirkungen von Gewalt zu tun habe. Jetzt ist diese Gewalt auf einmal ganz in ihrer Nähe. Katys Welt hat einen Sprung bekommen, aber sie wird schon damit fertig werden.«
    »Und wie geht es Ihnen?«
    »Gut. Wirklich.«
    Wir standen eine Weile schweigend da und sahen uns an. Dann nahm er sein Jackett vom Bett und legte es sich über seinen Arm.
    »Fahren Sie denn auch an den Strand?« fragte Ryan mit einer aufgesetzten Gleichgültigkeit, die nicht sonderlich überzeugend wirkte.
    »Nicht nur an einen. Wir haben diesen Urlaub ›Die große Sand- und Wellenexpedition‹ genannt. Erst fahren wir nach Ogonquit, danach die ganze Küste entlang. Cape Cod. Rehobeth. Cape May. Virginia Beach. Am fünfzehnten wollen wir am Nags Head sein.«
    Das hatte Pete so organisiert, der uns dort treffen wollte.
    Ryan legte mir eine Hand auf die Schulter und sah mich mit seinen blauen Augen an, in denen mehr als nur professionelles Interesse aufleuchtete.
    »Werden Sie denn zurückkommen?«
    Dasselbe hatte ich mich die ganze Woche über gefragt. Zurück zu was? Zu meinem Job im Labor? Konnte ich denn noch einmal so eine Geschichte mit einem geisteskranken Serienmörder durchstehen? Oder nach Quebec? Sollte ich mich von Claudel zur Schnecke machen und auf einem silbernen Tablett dem Disziplinarausschuß servieren lassen? Und was war mit meiner Ehe? In Quebec konnte ich die nicht retten. Was würde ich empfinden, wenn ich Pete am fünfzehnten sehen würde?
    Nur eines wußte ich ganz genau: Ich würde diese Fragen erst einmal für ein paar Wochen vergessen und die Zeit mit Katy genießen.
    »Natürlich werde ich wiederkommen«, antwortete ich. »Ich muß ja schließlich meine Berichte schreiben und vor Gericht aussagen.«
    »Natürlich.«
    Es folgte eine angespannte Stille. Wir wußten beide, daß ich mich um die Beantwortung seiner Frage herumgedrückt hatte.
    Schließlich räusperte sich Ryan und nahm etwas aus der Tasche seines Jacketts.
    »Das soll ich Ihnen von Claudel geben«, sagte er und hielt mir einen braunen Briefumschlag hin, der in der linken oberen Ecke das Emblem der CUM trug.
    »Toll.«
    Ich steckte den Brief in die Hosentasche und folgte Ryan zur Tür.
    »Ryan.«
    Er drehte sich um.
    »Kann man denn Tag für Tag und Jahr für Jahr diese Arbeit tun und dabei nicht seinen Glauben an die Menschheit verlieren?«
    Ryan antwortete nicht sofort, sondern schien sich auf den leeren Raum zwischen ihm und mir zu konzentrieren.
    »Diese Menschheit bringt leider immer wieder Raubtiere hervor, die sich über ihre Mitmenschen hermachen«, sagte er dann. »Aber das sind eigentlich keine Menschen, sondern Mutationen, die meiner Meinung nach nicht einmal die Luft zum Atmen verdient haben. Aber weil es sie nun einmal gibt, helfe ich mit, sie einzufangen und wegzusperren, damit sie keinen Schaden mehr anrichten können. Ich sorge dafür, daß die normalen Menschen ein bißchen sicherer leben können. Leute, die jeden Morgen aufstehen und zur Arbeit gehen, die ihre Kinder großziehen und sich am Abend gern ein Baseballspiel ansehen oder meinetwegen auch in die Oper gehen. Das ist die Menschheit, jedenfalls in meinen Augen.«
    Ich sah ihm zu, wie er zur Haustür ging und bewunderte einmal mehr, wie knackig er seine Jeans ausfüllte. Aber er hat auch was im Hirn, dachte ich, während ich die Wohnungstür schloß. Wer weiß, sagte ich zu mir selbst und
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