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Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan
Autoren: Kathy Reichs
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ließ. Es war das Klirren der Kette auf dem Boden.
    Weil ich viel zu schwach war, um fortzulaufen, drehte ich mich bloß um und sah, wie eine dunkle Silhouette auf mich zu kam.
    Ich hörte meine eigene Stimme etwas sagen, sah tausend dunkle Punkte und spürte, wie sich eine schwarze Wolke über mein Bewußtsein senkte.
    In der Ferne heulten Sirenen. Ich hörte Stimmen und öffnete die Augen.
    Das Licht brannte. Eine Gestalt hatte sich über mich gebeugt und preßte mir etwas an den Hals.
    Wer ist das? Und wo bin ich? Ist das mein Wohnzimmer? Mit der Erinnerung kam auch die Panik. Ich setzte mich auf.
    »Attention. Elle se lève.«
    Hände drückten mich sanft wieder nach unten.
    Dann hörte ich eine vertraute Stimme. Die Stimme, die ich am wenigsten erwartet hatte.
    »Bewegen Sie sich nicht. Sie haben eine Menge Blut verloren. Der Krankenwagen ist schon unterwegs.«
    Claudel.
    »Was ist –«
    »Sie sind in Sicherheit. Wir haben ihn.«
    »Oder sagen wir besser, wir haben das, was von ihm noch übrig ist.« Das war Charbonneau.
    »Wo ist Katy?«
    »Bleiben Sie liegen. Sie haben einen Schnitt am Hals, und wenn Sie Ihren Kopf bewegen, blutet es wieder. Sie haben schon zu viel Blut verloren. Wir wollen nicht, daß es noch mehr wird.«
    »Was ist mit meiner Tochter?«
    Ich sah, wie die beiden sich über mich beugten. Ein Blitz zuckte vor dem Fenster und ließ ihre Gesichter weiß vor dem gelblichen Lampenlicht aufleuchten.
    »Katy?« fragte ich noch einmal. Mein Herz hämmerte in meiner Brust, und ich bekam fast keine Luft.
    »Es geht ihr gut. Sie kann es kaum erwarten, Sie zu sehen. Sie ist jetzt bei Freunden, die sich um sie kümmern.«
    »Tabernac«, fluchte Claudel und entfernte sich von der Couch, auf der ich lag. »Où est cette ambulance?«
    Er ging zurück in den Gang, blickte in die Küche und kam dann mit einem merkwürdigen Ausdruck auf dem Gesicht wieder zurück zu mir.
    Auf einmal war meine kleine Straße erfüllt vom Heulen einer Sirene. Eine Sekunde später drang blaues und rotes Blinklicht durch die Glastür herein.
    »Entspannen Sie sich«, sagte Charbonneau. »Der Krankenwagen ist da. Wir kümmern uns um ihre Tochter. Die Gefahr ist vorbei. Es ist alles in Ordnung.«

42
    In meiner Erinnerung klafft, was die nächsten zwei Tage anbelangt, bis heute eine Lücke. Sie sind zwar nicht vollständig ausgelöscht, aber irgendwie verschwommen und nicht richtig synchronisiert, eine zusammenhanglose Collage von Bildern und Gefühlen, die kein vernünftiges Muster ergeben. Wie eine Uhr mit einem sich ständig verändernden Zifferblatt.
    Schmerzen. Hände, die mich berühren, an mir herumdrücken, meine Augenlider heben. Stimmen. Ein helles Fenster. Ein dunkles Fenster.
    Gesichter. Claudel im Neonlicht. Die Silhouette von Jewel Tambeaux vor grellweißem Sonnenlicht. Ryan im gelblichen Schein der Nachttischlampe, wie er langsam in einem Buch blättert. Ein dösender Charbonneau, über dessen Gesichtszüge das bläuliche Flackern eines Fernsehapparats huscht.
    Ich hatte genügend Betäubungsmittel im Blut, um die gesamte irakische Armee damit kampfunfähig zu machen, und so war es schwierig, die von diesen Drogen ausgelösten Trugbilder von der Wirklichkeit zu unterscheiden. Die Träume und Erinnerungen rasten um mich herum wie ein Wirbelsturm um sein ruhendes Auge. Ganz gleich, wie oft ich diese Zeit Revue passieren lasse, ich schaffe es nicht, die vielen unterschiedlichen Bilder in eine richtige Perspektive zu bringen.
    Erst ab Freitag sind meine Erinnerungen wieder zusammenhängender.
    Als ich die Augen öffnete, drang heller Sonnenschein ins Zimmer. Eine Krankenschwester kontrollierte einen Tropf über meinem Bett, und ich wußte sofort, wo ich war. Rechts von mir hörte ich leise, klickende Geräusche. Als ich meinen Kopf drehte, spürte ich einen dumpfen, pochenden Schmerz im Hals.
    Ryan saß auf einem Plastikstuhl neben meinem Bett und tippte etwas in einen Taschencomputer ein.
    »Überlebe ich?« fragte ich mit schwacher Stimme.
    »Wo ist er jetzt?«
    »Hier, in diesem Krankenhaus.«
    Ich hatte das Gefühl, mich übergeben zu müssen und versuchte, mich aufzurichten. Ryan legte mir die Hände auf die Schultern und drückte mich sanft wieder zurück in das Kissen.
    »Er wird strengstens bewacht, Tempe. Er kann sein Zimmer nicht verlassen.«
    »Ist er St. Jacques?«
    »Darüber sprechen wir später.«
    Ich hatte noch tausend Fragen, aber es war zu spät. Langsam glitt ich wieder in das schwarze Loch, in dem ich
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