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Getrieben - Durch ewige Nacht

Getrieben - Durch ewige Nacht

Titel: Getrieben - Durch ewige Nacht
Autoren: Veronica Rossi
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Peregrine
| Kapitel Eins
    Aria war hier.
    Perry folgte ihrem Duft und bewegte sich dabei rasch durch die Nacht. Seine Schritte waren gleichmäßig und beständig, während er den dunklen Wald absuchte, aber sein Herz pochte wie wild. Roar hatte ihm berichtet, sie sei wieder in der Außenwelt, hatte ihm sogar ein Veilchen und eine Botschaft von ihr als Beweis überbracht, aber Perry wollte es erst glauben, wenn er sie sah.
    Er erreichte eine felsige Anhöhe, ließ Bogen, Köcher und Beutel fallen und sprang von Stein zu Stein nach oben. Dichte Wolken bedeckten den Himmel, der sanft im Licht des Äthers leuchtete. Sein Blick wanderte über die Hügellandschaft und blieb schließlich an einem Stück Brachland hängen, eine verbrannte, silbrige Narbe, die die Winterstürme hinterlassen hatten. Weite Teile seines Stammesgebiets, etwa zwei Tagesmärsche in Richtung Westen, sahen genauso aus.
    Als er die Rauchfahne eines Lagerfeuers in der Ferne entdeckte, hielt Perry angespannt inne. Er atmete den beißenden Geruch ein, den eine kühle Windböe herantrug. Das musste sie sein. Sie war ganz in der Nähe.
    »Und, irgendwas zu sehen?«, rief Reef hinauf, der etwa sechs Meter weiter unten stand. Schweiß glänzte auf seiner dunkelbraunen Haut und rann über die Narbe, die von der Nase über die Wange bis zu seinem Ohr verlief. Er atmete schwer. Noch vor wenigen Monaten waren sie Fremde füreinander gewesen. Jetzt war Reef der Anführer von Perrys Wache und wich nur selten von seiner Seite.
    Perry kletterte die Felsen hinunter und landete mit einem feucht knirschenden Geräusch im schmelzenden Schnee. »Sie ist eineinhalb Kilometer östlich von hier, vielleicht auch schon näher.«
    Reef fuhr sich mit dem Ärmel übers Gesicht, schob sich die Zöpfe hinter die Ohren und wischte sich den Schweiß ab. Normalerweise hielt er mühelos Schritt, aber nach zwei Tagen bei diesem Tempo machten sich die zehn Jahre Altersunterschied zwischen ihnen bemerkbar. »Du hast gesagt, sie könne uns helfen, die Blaue Stille zu finden.«
    »Ja, sie wird uns helfen«, bestätigte Perry. »Sie muss sie genauso dringend finden wie wir.«
    Reef trat zu Perry und kniff die Augen zusammen. »Das hast du mir in der Tat
gesagt
.« Er warf den Kopf in den Nacken und atmete ein, eine auffällige und animalische Geste. Im Gegensatz zu Perry spielte er seinen besonders ausgeprägten Sinn nicht herunter. »Aber deswegen sind wir nicht hier«, fügte er hinzu.
    Perry konnte seine eigenen Stimmungen nicht wahrnehmen, aber er konnte sich vorstellen, welche Gerüche Reef aufgefangen hatte. Begierde – grün, scharf und lebendig. Verlangen – schwer und moschusartig. Unverkennbar. Reef war ebenfalls ein Witterer. Er wusste genau, was Perry jetzt empfand, nur wenige Augenblicke vor einem Wiedersehen mit Aria. Gerüche waren untrüglich.
    »Das ist einer der Gründe«, erwiderte Perry knapp. Er hob seinen Beutel auf, warf ihn sich über die Schulter und zurrte ihn ungeduldig fest. »Schlagt hier ein Lager auf. Ich bin bei Sonnenaufgang zurück«, sagte er und wandte sich zum Gehen.
    »Sonnenaufgang, Perry? Glaubst du, die Tiden wollen
noch
einen Kriegsherrn verlieren?«
    Perry hielt inne und drehte sich zu Reef um. »Ich bin unzählige Male allein hier draußen unterwegs gewesen.«
    Reef nickte. »Klar. Als Jäger.« Er nahm einen Trinkschlauch aus seinem Beutel und bewegte sich dabei beiläufig und langsam, obwohl er noch immer außer Atem war. »Aber jetzt bist du mehr als das.«
    Perry blickte in Richtung Wald. Twig und Gren waren da draußen, lauschten und hielten Ausschau nach Gefahren. Sie hatten ihn beschützt, seit er sein Territorium verlassen hatte. Reef hatte recht: Hier im Grenzland ging es einzig und allein ums Überleben. Ohne seine Wache setzte er sein Leben aufs Spiel. Perry atmete langsam aus, und mit dem Atem verließ ihn auch die Hoffnung, eine Nacht allein mit Aria zu verbringen.
    Reef steckte den Korken in den Trinkschlauch und verschloss ihn mit einem festen Fausthieb. »Nun? Was befiehlt mein Herr?«
    Perry schüttelte den Kopf über diese förmliche Anrede – Reefs Methode, ihn an seine Verantwortung zu erinnern. Als ob er die je vergessen konnte. »Dein
Herr
zieht sich für eine Stunde zurück«, sagte er und trabte davon.
    »Peregrine, warte. Du musst …«
    »Eine Stunde!«, rief Perry über die Schulter zurück. Was auch immer Reef wollte, es musste warten.
    Als er sicher war, dass Reef ihm nicht folgte, packte Perry seinen
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