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Tote lieben laenger

Tote lieben laenger

Titel: Tote lieben laenger
Autoren: Scott Nicholson
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Herbst.
    "Ich war vielleicht irgendwann mal der Beste", sagte ich. "Der Beste für dich. Aber die Menschen ändern sich."
    "Die Menschen ändern sich sogar, wenn sie tot sind." Da war ihr Lächeln wieder, aber dieses Mal flackerte es. Feuer züngelte zwischen ihren Zähnen. "Aber das wirst du auf die harte Tour erfahren."
    Die harte Tour. War der Tod nicht schwierig genug ohne eine zusätzliche Runde an Irrungen und Wirrungen? Wie grausam war dieser unsichtbare Gott? "Sieh mal, Diana. Ich hatte dich gern. Ich meine, habe ..."
    "Ich liebe dich noch immer. Ich habe dich immer geliebt."
    Scheiße. Ich hasse es, wann das passiert.
    "Ich glaube nicht, dass wir noch viel gemeinsam haben", sagte ich.
    "Wir sind beide tot." Sie hörte sich fast zufrieden an, so als ob ich nun keine Tür mehr hätte, durch die ich verschwinden konnte, keine anderen Lippen zu küssen, kein Bett auf der anderen Seite der Stadt, das ich mit jemandem teilen konnte, der weniger Fragen stellte und weniger Aufmerksamkeit verlangte. Als ob wir die beiden einzigen Toten auf der Welt und deshalb für einander geschaffen wären.
    Ich spekulierte darüber, ob Diana von Lee wusste. Ich hatte meine einzige wahre Liebe erst zwei Jahre, nachdem sich meine ursprüngliche einzige wahre Liebe per Direktleitung in den Sarg befördert hatte, kennen gelernt. Dies war ein heikler Augenblick.
    "Wir sind jetzt hier, du und ich, und besser wird's nicht", sagte ich. Das hörte sich sogar für mich wie ein mieser Anmachspruch an. Die Verzweiflungsmasche. Wir sind verdammt, deshalb lass uns miteinander schlafen. Oder: Wir sind verdammt, also lassen wir es lieber.
    "Du weißt doch nicht mal, wo 'hier' überhaupt ist", antwortete sie.
    Sie war noch immer nackt und ich hatte Probleme damit, meinen Blick auf ihre Augen gerichtet zu halten. Meine feuchten Augäpfel wollten wandern, um sicher zu gehen, dass der Zahn der Zeit nicht an ihren körperlichen Vorzügen genagt hatte. Ich musste mich daran erinnern, dass sie zuerst als wütender Höllenfeuerball erschienen war, nicht als knackiges Betthäschen. Das konnte alles auch nur Fassade sein. Ich wusste, wie sich Frauen verhielten, wenn sie glaubten, etwas bekommen zu müssen.
    Außerdem hatten die Formen, die hinter ihr in den Flammen ihre Possen getrieben hatten, an gutgeölte männliche Muskeln erinnert. Sie war nicht der Typ, der es sehr lange ohne Gesellschaft aushielt. Womöglich war das im Jenseits so wie zur Sperrstunde im Abschlepplokal und niemand musste allein nach Hause gehen. Vielleicht hatte sie sich eine Armee von Bewunderern zugelegt in diesem Land, in dem die Sünde kein Zögern verursachte, keine Bestrafung versprach und womöglich die ewigste aller Belohnungen bot.
    "Wie du sagtest, wir sind beide tot." Die Wiederholung machte es auch nicht einfacher, sich an diesen Gedanken zu gewöhnen.
    "Nur, dass ich schon länger tot bin", sagte sie. "Ich hatte Zeit, auf dich zu warten. Viel Zeit, um nachzudenken und zu planen."
    Ich hatte gedacht, dass die Zeit im Jenseits nicht mehr existiert, oder zumindest nicht mehr im linearen Sinn, was auch die widersprüchliche Uhr nahelegte. Auf der Erde wurde einem immer die Richtlinie eingetrichtert, dass es sich beim Jenseits um einen fixierten, unveränderlichen Zustand handelt. Einen Ort, an dem es zu spät ist zu bereuen. Ich hatte das immer mit einiger Erleichterung akzeptiert. Nach ein paar Jahrzehnten und mit ein paar Unzen Blei in der Brust wird man es irgendwann leid, sich zu entschuldigen.
    Trotzdem konnte ich nicht anders. "Ich wollte dich nicht verletzen."
    "Sogar tot bist du immer noch so ein eingebildetes Arschloch", sagte sie und zog ihre Mundwinkel zu einem Grinsen hoch. "Du denkst, dass allein du an meinem Selbstmord schuld bist."
    Die Wände krochen weiter enger zusammen, aber nun so langsam, dass ich nicht mehr darauf Acht gab. Vermutlich dachte ich, dass sie substanzlos waren, eine Art von Halluzination. Immerhin war das Feuer verblasst, die Sachbearbeiterin und ihr Schreibtisch waren verschwunden und die Uhr nahm eine Auszeit. Aber die Wand hinter mir stieß mir in den Hintern und schubste mich nach vorne. Näher an Diana und die Flammen des Höllenfeuers, denen sie huldigte.
    Obwohl sie nackt war, brachte sie aus dem Nichts ein paar Blätter zum Vorschein, gerade so, als ob sie versteckte Taschen in den entzückenden Falten ihres Fleisches hatte. Das Material war immun gegen die Flammen, dünne Tontafeln, auf denen etwas in einer vertrauten Handschrift
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