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Tote lieben laenger

Tote lieben laenger

Titel: Tote lieben laenger
Autoren: Scott Nicholson
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die Löcher in meiner Brust zog. "Es steht alles drin. Sie können sich so lange anlügen, bis Sie blau im Gesicht werden, aber wir haben es schwarz auf weiß. Wir kennen die Wahrheit."
    Ich hatte immer gedacht, dass die Wahrheit ziemlich dehnbar ist. Etwas, auf das man zurückgreift, wenn es nützlich ist, aber vermeidet, wenn Konsequenzen drohen. Mit anderen Worten, ich erwartete Aufrichtigkeit von anderen Menschen, war aber immer wieder überrascht, wenn sie auch von mir erwartet wurde. Aber hier oben (oder hier unten, denn ich konnte die protestantische Vorstellung des Jenseits als "Ort" in Beziehung zur Erde nicht loswerden), war die Wahrheit offenbar allgemeingültig.
    Mist.
    "Also, was soll ich mit ihr machen?"
    "Sie war nur Ihre Ehefrau. Die Frau, der sie versprachen, sie zu lieben und zu ehren, bis dass der Tod Sie scheide. Und Sie haben dieses Versprechen auch todsicher gehalten, nicht wahr?"
    Ich zwinkerte mit den Augen. Um die Wahrheit zu sagen, ich blinzelte, weil es nicht ausgeschlossen war, dass sich ein paar Tränen ankündigten. Manchmal gelingt es einem, sie zu verbergen, wenn man so tut, als ob einem eine Mücke ins Auge geflogen ist. "Fehler wurden gemacht", sagte ich.
    "Passiv", sagte sie mit dem Tonfall einer ehemaligen Grammatiklehrerin. "Auf diese Weise ist es nicht Ihr Fehler. Die Schuld hat der böse alte Kosmos, und Sie hatten keinerlei Möglichkeit, einzugreifen. Gott hat Ihnen schlechte Karten zugeteilt. Das Schicksal hat mit seinem gewaltigen Stock auf Ihr Leben eingeprügelt, während Sie hilflos daneben standen. Sie konnten nicht mal einen Finger heben, um es zu stoppen."
    "Das stimmt", sagte ich und blinzelte schneller.
    Sie grinste beinahe. "Aber jetzt können Sie einen Finger heben."
    Die Bürotür wurde aufgerissen, die gleiche Tür, durch die ich Minuten oder Stunden zuvor eingetreten war. Nur, dass sich der Korridor verändert hatte. Er war nicht länger trostlos, mit grauem Industrieteppich und einem gelegentlichen nichtssagenden Naturbild an der Wand. Stattdessen rankten sich dort Flammen wie die Zungen von hundert Schlangen, flüsternd, zischend, verführerisch. Inmitten dieser Flammen sah ich Dianas Gesicht, so schön und wollüstig wie es jemals gewesen war. Aber die Wollust hatte eine hässliche Note. Sie war wie Eva nach dem ersten Biss vom Apfel, sündhaft und wissend, aufgedunsen durch den Saft des Teufels und in keinster Weise gewillt, sich zu entschuldigen. Ihre formlosen Augen starrten mich mit dem bekannten Blick an, einer gleichzeitigen Mischung aus Anklage und Selbstverachtung.
    "Fehler wurden gemacht", tönte ihre Stimme inmitten einer Böe vulkanischen Windes. "Fehler wurden gemacht."
    Ich schluckte, und es fühlte sich so an wie eine Hand voll gemahlenes Glas. Salven des Schmerzes durchströmten meine Brust, gerade so, als hätte jemand Batteriesäure in meine Schusswunden gefüllt. Meine Augen waren so trocken wie ausgedörrte Trauben. Man sollte denken, dass die Toten keine Schmerzen spüren, aber dem ist nicht so. Es ist eine andere Art von Schmerz, kalt wie der Friedhof, tief in der Seele und immun gegen jegliches Aspirin.
    "Diana?" fragte ich, als ihr Gesicht in den Flammen zerfloss. Gestalten wogten in dem rot-gelben Chaos und führten einen hasserfüllten Kriegstanz auf. Manchmal kam ein Arm oder ein Knie zum Vorschein und verwandelte sich in schwarze Knochen und Asche, wobei die Verwandlung von einer grauen Rauchwolke markiert wurde. Dianas Gelächter flackerte und knisterte.
    Ich wandte mich der Sachbearbeiterin zu, um von ihre eine Antwort oder vielleicht sogar Hilfe zu bekommen. Aber der Raum war leer bis auf die Uhr an der Wand. Deren Zeiger hingen nun herunter wie Dalís Schnurrbart, das Zifferblatt weich und triefend. Vier schmutzige Abdrücke von der Größe von 25-Cent-Stücken markierten am Boden den Ort, an dem der Schreibtisch gestanden hatte.
    Ich wich von der hell erleuchteten Tür und ihren wirbelnden Derwischen zurück. Das Gesicht von Diana erschien wieder lüstern am Rande des Feuers. "Bis dass der Tod uns scheidet, hä? Hast du wirklich gedacht, dass du so einfach davonkommen würdest?"
    Ich wünschte mir, es nur mit dem hellen Lodern der Flammen zu tun zu haben, aber es war ihre Stimme. Ihre Worte. Ihr Ärger.
    Ich wollte noch weiter zurückweichen, aber der Raum war kleiner geworden. Er wirkte so klein wie ein Sarg. Ich bekam keine Luft mehr, erinnerte mich dann aber, dass ich nicht mehr atmen musste.
    "Du gehst zurück, aber ich
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