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Tote lieben laenger

Tote lieben laenger

Titel: Tote lieben laenger
Autoren: Scott Nicholson
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miteinander versuchen könnten."
    Ich war nah genug, ihre Lippen zu küssen, aber die Tatsache, dass aus ihnen kein Atem kam, erschreckte mich. "Liebling, ich denke, dass wir uns geändert haben. Die Menschen wachsen zusammen oder sie entfernen sich von einander."
    "Ich weiß von ihr . Der anderen Frau."
    Scheiße. Na gut, es machte keinen großen Unterschied. Es war ja nicht so, dass ich Diana betrogen hatte, weil wir auf unterschiedlichen Seiten von Leben und Tod standen. Aber vielleicht hatte Betrug etwas mit dem Herzen und nicht mit dem Fleisch zu tun. Ich hatte keinerlei Ahnung vom Herzen, und ziemlich wenig vom Fleisch.
    Diana grinste, ihre Lippen wandten sich wie Babyschlangen. "Du bist mir verpflichtet, Richard. Ich weiß noch nicht zu was, aber du bist mir verpflichtet."
    Trotz der Ausstrahlung ihres himmlischen Fleisches lief es mir kalt den Rücken hinunter. Bedeutete das, dass sie der Teufel war? Oder nur eine Handlangerin des Typen mit dem spitzen Schwanz und der schlechten Gesinnung? Andererseits hatte Diana nie Anweisungen von außen gebraucht, um mich fertig zu machen. Sie war proaktiv, wenn es darum ging, mir Qualen zuzufügen.
    Sie blickte über ihre Schulter, als ob sie mit einem unhörbaren Befehl abberufen wurde. "Ich muss jetzt gehen, Liebling. Aber ich komme wieder."
    Die Wände begangen, zurückzuweichen, und Diana erlosch wie die Flamme einer Kerze, der man den Sauerstoff entzogen hatte. Zurück blieb nur ein öliger Rauchfaden. Ich blinzelte, als der Raum seine frühere Form zurückerlangte. Als die Uhr, die Poster und der Schreibtisch wieder erschienen, dachte ich an das Versprechen, das ich Diana an jenem Juninachmittag gegeben hatte.
    Bis dass der Tod uns scheidet.
    Und noch um einiges länger.
    Frauen hatten keine Ahnung von der Liebe, aber sie wussten eindeutig Bescheid, was Besitz anging.
    ***

2.
    Die Sachbearbeiterin kniff die Augen zusammen. Die Uhr an der Wand zeigte tatsächlich drei Minuten früher an, so als ob ich Diana in einem früheren Leben begegnet wäre.
    "Haben Sie sie gesehen?" fragte ich sie.
    "Wen?"
    "Egal. Das ist mein Problem, nicht Ihres."
    "Davon haben Sie eine ganze Menge." Sie tippte auf mein Dossier. "Ich glaube nicht, dass Sie an Ihren Ort des Glücks gelangen können."
    "Ich kann. Ich habe eine große Willenskraft."
    "Dazu brauchen Sie mehr als Willenskraft. Glauben."
    "Ich dachte, Sie hätten gesagt, dass Religion nur Schabernack ist."
    "Glaube ist nicht das Vertrauen in unsichtbare Gottheiten oder tote Dinge. Glaube ist ein Vertrauen in das Leben."
    "Nun, ich vermute, dass ich nicht mehr an das Leben glauben kann, oder? Ich meine, ich habe mich immer mit den Tatsachen abgefunden."
    Sie spitzte ihre blassen blauen Lippen und begann, meine Mappe zur Kante ihres Schreibtisches zu schieben. Die Mappe kippte über und fiel in einen Abfalleimer, den ich vorher nicht bemerkt hatte. Ich hatte ihn nicht bemerkt, weil er noch nicht da gewesen war.
    "Hey, hey, hey", sagte ich und stürzte auf Füßen, die sich wie Federn anfühlten, zum Abfalleimer. Ich wühlte darin herum und zog die Papiere heraus. Sie waren fleckig von altem Kaffeesatz, Überresten eines verschütteten Biers und einer Bananenschale, aber sie waren noch lesbar. Ich knallte die Akte auf den Schreibtisch, wütend auf Diana, verängstigt, weil man einen Teil meiner Seele wollte, und verärgert darüber, dass irgendjemand womöglich auf meine Kosten mit einem Mord davonkommen würde.
    Das Leben war ungerecht, weil ich tot war. Das Leben war heilig, weil die Lebenden das behaupteten. Das Leben war wunderbar, weil der Tod so ehrlich wie ein Spiegel war. Alles, was mir geblieben war, waren ein paar unzusammenhängende Erinnerungen und ein nachklingendes Gedankenbild von Lee, aber ich hatte ein Verlangen, das keine gehässige Gattin jemals würde auslöschen können.
    Ich stand auf und richtete einen Finger auf die Sachbearbeiterin. "Ich habe vieles , das mich erwartet. Ich muss in den Himmel kommen. Ich will es. Sagen Sie mir nur, was ich tun soll."
    Sie lehnte sich zurück, legte ihre Fingerspitzen an einander und formte mit ihren Lippen ein tückisches Lächeln. "Na sowas, Mr. Steele, ich glaube, es gibt doch noch Hoffnung für Sie. Aber ich kann Ihnen nicht sagen, was Sie tun sollen. Das müssen Sie schon selbst herausfinden."
    Hoffnung.
    Wenn es je ein Wort verdient gehabt hatte, in kitschige Goldfolie verpackt zu werden, dann dieses. Hoffnung – das Element, das die Lebenden am Morgen dazu bewegt,
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