Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tote essen kein Fast Food

Tote essen kein Fast Food

Titel: Tote essen kein Fast Food
Autoren: Karin Baron
Vom Netzwerk:
bisschen gefährlich, wie auch Frida sie geschildert hatte. Das einzige bisschen Farbe in ihrem Gesicht, außer den dunklen Augen, war die Schramme, die sich von der linken Schläfe bis über den Wangenknochen zog. Am meisten aber überraschte mich der langohrige Kuschelhase, der auf ihrem Nachttisch an einer Flasche O-Saft lehnte, neben einer siebenschwänzigen Rattenbrosche, die ich aus der Zeitung kannte.
    Mia hatte mein Erstaunen bemerkt. „Das ist Tick“, sagte sie und grinste schief. „Ersatz für Muffin. Die wollten sie hier nicht haben.“ Sie wischte sich eine ihrer Rabenflusen aus dem Gesicht. „Höchstens als Laborratte, aber das wollte ich nicht.“ Mit einer energischen Bewegung schredderte sie die letzten beiden Karoseiten. „Bin gleich fertig“, sagte sie, während sie akribisch die Papierfetzen herauszupfte, die prinzipiell in der Spiralbindung hängen bleiben.
    Mit dem rechten Fuß schob sie die Bettdecke ans Fußende, vorsichtig, damit das Papierpuzzle nicht auf dem hellgrauen Linoleumboden landete. Ihre kalkweißen Beine steckten in der gleichen karierten Boxershorts aus der Herrenabteilung von H&M, die ich auch hatte. Der kalkige Gips unterhalb des Knies fiel optisch kaum auf.
    â€žTut’s sehr weh?“
    â€žKönntet ihr mir vielleicht ein Gefäß besorgen für das Zeugs da?“ Mit dem Kinn wies Mia Richtung Papierschnipsel, ohne auf meine Frage einzugehen. „Aber keine von den ekligen Kotzschalen aus Recycling-Pappe. Von dieser Haferschleimfarbe muss man ja schon spucken, wenn einem gar nicht schlecht ist.“ Sie verzog das Gesicht. „Ich brauch was Feuerfestes. Schließlich will ich nicht das ganze Krankenhaus abfackeln.“ Ich drehte mich zu Jan und zog eine Augenbraue hoch, was er zum Glück sofort kapierte.
    â€žFeuerfest? Warum nicht gleich atombombensicher“, hörte ich ihn murmeln, während er sich zum Ausgang wandte. „Ich guck mal, was ich finde“, sagte er laut und verschwand durch die pistaziengrüne Tür, die sich mit einem metallischen Klick automatisch hinter ihm schloss.
    â€žWas hast du vor?“ Mia ignorierte auch diese Frage. Hallo? Saß sie auf ihren Ohren oder was? „Wie geht’s dir?“, versuchte ich es ein drittes Mal und reichte ihr die Riesenbox Meeresfrüchte aus Schokolade, die ich in Westerland für sie erstanden hatte.
    â€žOh, danke. Die hatte ich lange nicht.“ Mia riss die Folie um die Schachtel ab und zog die dunkelbraune Form heraus, in der die Schoko-Seesterne, -Schnecken und -Muscheln in ihren Plastikhöhlen der Kernschmelze entgegendämmerten. Sie nahm sich eine Schnecke und hielt mir dann die Packung hin. „Und danke überhaupt.“ Ihre Lider mit den langen dunklen Wimpern flatterten ein wenig, als sie mir in die Augen sah. „Für alles. Mir geht’s viel besser“, setzte sie hinzu, „und das mit dem Bein hier ist nicht so schlimm.“ Sie machte eine Pause. „Wenn ihr nicht gekommen wärt ...“
    Ich entspannte mich und setzte mich auf den Stuhl neben ihrem Bett. „Aber wir sind ja gekommen.“
    â€žWoher wusstet ihr, wo ihr mich suchen müsst?“
    â€žAls wir aus dem Bunker kamen, fiel mir ein, dass wir dich da schon mal gesehen hatten. Nach einem anderen Apothekeneinbruch. Durch die Taue in der Kiste neben deinem Lager bin ich drauf gekommen.“ Ich biss einen Arm von meinem Seestern ab. „Wozu brauchtest du die eigentlich?“
    â€žUm die Gänge zu erkunden. Ich wusste ja nicht, wie viele Abzweigungen es gibt. Ich hab sie aneinandergeknotet und später dann die Strickleiter gemacht, für den zweiten Eingang.“
    â€žHmm. Aus Fridas Nylonseil.“
    â€žFrida? Ist das die Kleine mit dem Weichei von Hund im Minikleid, die ...“
    â€ž... die du in das Loch zurückgeschubst hast, ja. Und Jasper ist kein Weichei!“
    â€žSorry.“ Mia guckte zerknirscht. „Ist sie deine Schwester?“
    â€žNee.“ Ich verzog das Gesicht. „Jedenfalls noch nicht, soviel ich weiß.“
    â€žAha.“ Mia warf mir einen neugierigen Blick zu.
    â€žDu hast mit deinem Onkel Igel gesprochen?“
    â€žJa, er saß an meinem Bett, als ich aufwachte. Und ist die ganze Zeit über bei mir geblieben. Bis gestern ... als meine Mutter kam.“
    â€žDie war bestimmt überglücklich, dich gesund wiederzuhaben.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher