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Tote essen kein Fast Food

Tote essen kein Fast Food

Titel: Tote essen kein Fast Food
Autoren: Karin Baron
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und sprang die Treppe hoch. „Da ist es am wärmsten. Und am ruhigsten.“
    Mit perfektem Timing hatte Marzipan unsere Abwesenheit und den häuslichen Frieden genutzt, um in aller Ruhe Mutter zu werden. Seither hing sie lasziv in ihrem Kletterbaum und betrachtete von oben gelangweilt ihre Brut. Sie bestand aus neun braun gesprenkelten weißen Eiern und erinnerte mich verschärft an eine Riesenladung Hühnerkacke. Frida hatte begeistert festgestellt, dass man durch die ledrig weiche Schale bereits die winzigen Reptilien hindurchschimmern sah. Beunruhigt von Marzipans Rabenmutter-Attitüde hatte sie fürsorglich das Unterhemd meines Vaters – es besaß mittlerweile die gleiche Farbe wie die Eier – um Marzipans kostbares Gelege drapiert und ihre Installation in der Badewanne untergebracht. Für Jasper hatte das immerhin den Vorteil, dass er endlich wieder in Zivil herumlaufen durfte, ansonsten war es einfach nur eklig.
    â€žDas kann ja wohl nicht wahr sein.“ Angewidert zerrte ich den Chiquita-Bananenkarton mit seiner dicken Sandeinlage, Martins Ex-Unterhemd und den Hühnerkacke-Eiern aus der Wanne und drückte ihn Frida in die Arme.
    â€žMenno, Fanny, die müssen doch schlüpfen.“
    â€žDa soll sich gefälligst Marzipan drum kümmern und ihre Minimonster selbst warm halten.“
    â€žAber Kornnattern haben keinen Brutinstinkt. Die legen die Eier ab und fertig.“
    â€žWie praktisch. Und jetzt soll ich ihre Mutter spielen, wenn ich ein Bad nehmen möchte, oder was? Ich will dir mal was sagen: Ich hab auch keinen Brutinstinkt. Ich krieg nur einen Würg-Instinkt, wenn ich die Biester sehe.“
    â€žAber sie stören dich doch gar nicht. Die liegen da ganz friedlich und ...“
    â€ž... ich steh hier ganz friedlich“, unterbrach Martin mit dem olivgrünen Telefonhörer an seiner vorsintflutlichen Strippe in der Hand von unten unser Wortgefecht. „Bitte tut mir nichts. Hier, für dich, Fanny.“
    â€žUnd ob die mich stören“, zischte ich Frida zu, trabte barfuß an ihr vorbei die Treppe hinunter und blökte einen Tick zu laut „Hallo“ in den Hörer.
    â€žPolizeiwache Westerland“, blökte es zurück. „Spreche ich mit Helena Filius? Der jungen Dame, die die flüchtige Mia Sander gefunden hat?“ Ich verzog das Gesicht, verzichtete aber auf lange Erklärungen.
    â€žJa, hier ist Fanny Filius.“
    â€žMoin, Frau Filius. Ich habe hier eine Handynummer für Sie. Ein junger Mann namens Lars Andresen bittet Sie um Rückruf. Wir konnten ihm nicht einfach Ihre Nummer überlassen. Datenschutz.“ Dann leierte mir die Frauenstimme eine zehnstellige Nummer ins Ohr, die ich mangels Alternative mit Sveas türkisem Kajalstift auf Tante Hedis halb erblindeten Flur-Spiegel schrieb. Lars Andresen? Was konnteIgel von mir wollen? Es war zwei Tage her, dass er mir sein „quitt“ aus dem Ambulanzwagen zugelächelt hatte.
    â€žWie geht’s Mia?“, fragte ich, als er nach sechsmal Klingeln abhob.
    â€žDas kannst du sie selbst fragen“, erwiderte er. „Sie möchte dich und deinen Freund gern sehen.“
    â€žWo ist sie jetzt? In der Zeitung gab’s nur eine kurze Meldung.“
    â€žNa, noch immer im Krankenhaus. Ihr linker Fuß ist gebrochen. Ansonsten hat sie zum Glück nur ein paar Kratzer und eine Gehirnerschütterung abbekommen. Ihre dicke Lederjacke hat das Schlimmste verhindert.“
    â€žOkay“, sagte ich. „Wo genau finde ich sie da?“
    Drei Stunden später betrat ich zum zweiten Mal in diesen Ferien die Nordsee-Klinik. Diesmal auf zwei Beinen und mit Jan an meiner Seite, aber kaum weniger angespannt.
    Mia lag allein in einem Zweibettzimmer in der dritten Etage mit Balkon und Blick aufs Meer. Als wir eintraten, saß sie im Bett und war damit beschäftigt, systematisch einen eng beschriebenen Karoblock erst in schmale Streifen und dann zu Vierecken zu zerreißen. „Hi“, sagte sie und blickte von ihrem Zerstörungswerk auf.
    â€žHi.“
    Hätte ich nicht gewusst, dass es sich um Mia handelte, hätte ich sie nicht erkannt. Michael-Jackson-bleich schaute sie unter ihrem pechschwarz gefärbten Haarschopf hervor, der in alle Richtungen abstand. Ohne ihr Gothic-Vampir-Make-up und das martialische Nasenpiercing sah sie viel jünger aus als auf dem Foto in der Zeitung. Irgendwie verletzlich und kein
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