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Tote essen kein Fast Food

Titel: Tote essen kein Fast Food
Autoren: Karin Baron
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von dem der stramme Nordwestwind von Zeit zu Zeit eine Prise mitnahm. Zuletzt war nur noch die rußgeschwärzte Spirale übrig. Ich fühlte mich wie auf einer Beerdigung.
    „So“, sagte Mia. „Das war das.“ Dabei wischte sie sich etwas Feuchtes aus den Augen und verschmierte es über dieWangen, die inzwischen einen etwas lebendigeren Farbton angenommen hatten. „Igel hat mir erzählt, dass du das warst, die vor zehn Tagen in das Loch in den Dünen gefallen ist und so den Hinterausgang von meinem Bunker entdeckt hat“, sagte sie, als sie wieder in ihrem Bett saß.
    „Stimmt. Danach haben sie mir die gleichen Krücken verpasst wie dir. Nur in Blau.“ Mia wandte den Kopf. Ein Paar Krücken mit gelben Griffen lehnte am Kopfende ihres Betts.
    „Ich kann Gelb nicht ausstehen“, sagte sie.
    „Ich auch nicht.“ Ich sog meine Lippen nach innen. Das war die Gelegenheit, Mia endlich die Frage zu stellen, die mich so lange beschäftigt hatte. „Was waren das eigentlich für Schüsse, die ich damals gehört habe? Waren die Kerle da auch schon hinter dir her?“
    „Nee.“ Mia grinste. „Das war ich selbst. Mit dem Luftgewehr von meinem kleinen Bruder. Da war ’ne fremde Ratte im Bunker, die Muffin gebissen hatte und sich an unserem Proviant vergreifen wollte.“
    „Und ich dachte schon, da liegt ’ne Leiche.“
    „Das hätten die gern gehabt.“
    „Warum denn? Warum wollten sie dich loswerden?“
    Mia seufzte und ließ sich in ihr Kissen auf dem schräg gestellten Kopfende sinken.
    „Ich hatte etwas gehört, was ich nicht hören sollte. Nach meinem letzten Anfall. Ich lag in der Notaufnahme von dem Krankenhaus, in dem meine Mutter arbeitet. Meine Mutter war bei mir – und einer von den Typen. Der ist ein Kollege von ihr. War …“, fügte sie hinzu, griff sich ihren Hasen und begann, seine langen Ohren zu kneten. „Keiner hatte gemerkt, dass ich wieder bei Bewusstsein war. Die zwei habengestritten. ‚Wenn du nicht mitspielst, Susanne, dann erfährt die Kleine hier, wer ihr wahrer Vater ist‘, hat der Glatzkopf gesagt.“ Mias Stimme war ganz heiser geworden. Und Tick hatte einen knallharten Knoten im Ohr. „Sie haben sie erpresst. Zu irgendwelchen krummen Medikamenten-Deals. Mama half, sie zu klauen, und die Kerle haben sie meistbietend weiterverkauft.“
    „Drogenhandel.“ Jan pfiff durch die Zähne.
    „Und dein Vater ist nicht dein Vater?“ Gebannt von Mias Geschichte nahm ich mir eine Miesmuschel aus dem Schoko-Karton.
    „Für mich war er immer mein Vater. Und ich war seine Tochter.“ Mia schniefte. „Als Mama gestern da war, hat sie mir alles erzählt. Wie es damals wirklich war. Achim wusste von Anfang an, dass er nicht mein Erzeuger ist. Er hat meiner Mutter geholfen, als sie schwanger war und verzweifelt, weil die Affäre mit diesem Oberarzt zu Ende war und der nichts von mir wissen wollte. Sie wusste nicht, ob sie mich behalten sollte oder nicht. Sie hatte Angst vor einem Leben allein mit Kind. Angst, dass sie es nicht schaffen würde. Im Grunde verdanke ich Achim, dass ich überhaupt da bin.“
    „Und der Glatzkopf wusste das alles auch?“
    „Ja, er ist selber Arzt. Anästhesist und war früher mit dem Mann befreundet, der nicht mein Vater sein wollte.“
    „Und woher wussten die beiden, wo du steckst, nachdem du verschwunden warst?“
    „Ich hatte Mama einen Zettel hinterlassen. ‚Such mich nicht‘, stand drauf. ‚Ich weiß alles.‘“ Mia kratzte sich ausgiebig am Rand ihres Gipsbeins. „Den hat sie natürlich nichtder Polizei gezeigt, als sie mich vermisst gemeldet hat. Sie hatte Angst, sich dadurch selbst in Schwierigkeiten zu bringen. Und beim Suchen geholfen hätte der Zettel auch nicht.“
    „Aber die zwei Typen …“, warf Jan ein. Er saß auf dem anderen Stuhl, die Ellbogen auf seinen Knien, und lauschte ebenso gebannt wie ich.
    „Die Polizei hat zu Hause alles nach meinem Notebook durchsucht. In der Hoffnung, vielleicht dort einen Hinweis auf meinen Verbleib zu finden. Aber das hatte ich gründlich versteckt, damit sie nicht Igels Bunker-Website finden würden.“ Mia musste lächeln. „Im Vogelhäuschen auf dem Dachboden. Das hat Achim selbst gebaut und er holt es immer nur vorm Winter runter. Ich hab die komplette Ladung Vogelfutter drübergekippt, die vom letzten Winter übrig war. Bis sie das finden würden, wäre ich schon …“ Mia vollendete ihren Satz nicht. „Jedenfalls … dieser Dösbaddel von meinem Bruder ist drüber gestolpert, auf der Suche nach
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