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Tote essen kein Fast Food

Titel: Tote essen kein Fast Food
Autoren: Karin Baron
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zu spät gekommen. Mia lebte.
    Bevor Jan behutsam ihren Kopf auf sein klitschnasses Sweatshirt bettete, reichte er mir sein Handy. Mein eigenes konnte ich vergessen. „Martin“, schluchzte ich in das viereckige Hightech-Teil mit den abgerundeten Ecken, das mir an diesem Ort seltsam unwirklich erschien. „Martin …“
    „Fanny, zum Teufel, was fällt euch eigentlich ein?“, schnaubte er, als er erkannte, wer dran war. „Wir stehen hier auf dem Polizeirevier und warten auf euch. Wo bleibt ihr? Und was …?“ Dann ließ er mich endlich reden, räusperte sich einmal deutlich und setzte umgehend Kommissar Kramer und seine Truppe davon in Kenntnis, dass wir Mia gefunden hatten. Und wo.
    „Bis gleich, Papa“, murmelte ich, bevor ich Jan das Handy zurückgab. Und „alles wird gut, Mia, ganz bestimmt“. Der Wind wehte meine gestammelten Worte von meinen Lippen, während ich Mias eiskalte Hand hielt und zitternd vor Kälte mit Jan auf Hilfe wartete. Ich weiß nicht, wen ich damit mehr beruhigen wollte – sie oder mich selbst.
    Binnen Minuten waren die Kollegen von der Hörnumer Polizeistation vor Ort. Jede einzelne von ihnen kam mir vor wie eine Stunde. Aus Westerland heulte mit Blaulicht ein Krankenwagen heran, dessen Besatzung sich zu uns auf den steinernen Wall quälte und begann, so vorsichtig wie möglich den geschundenen Körper zu bergen. Mithilfe eines motorisierten Schlauchboots der Wasserwacht brachten sie Mia an Land.
    Ungefähr zur gleichen Zeit holperten schließlich Martin, Svea und Frida auf den Strand, im Jeep, der nach drei Metern im Sand stecken blieb und dabei laut aufjaulte. Ebenso wie Jasper auf dem Rücksitz, den noch immer keiner aus seinem Unterhemd befreit hatte. Er sah darin aus wie E.T. auf der Flucht in seine extraterrestrische Heimat.
    Mias Lider flackerten, aber sie war nach wie vor ohne Bewusstsein, als sie sie auf einer Stabilisierungstrage in den Krankenwagen schoben. Oberhalb ihres Handgelenks steckte ein Infusionsschlauch und man hatte eine knisternde Aluminiumdecke über sie gebreitet, um sie warm zu halten. Jan und ich bekamen auch eine Decke über die Schultern und irgendwer reichte uns einen Becher Kaffee. Trotzdem fing ich an, mit den Zähnen zu klappern und zu heulen wie ein Schlosshund, als ich meinen Vater, Svea, Frida und Jasper von den Dünen her aus dem Nebel auftauchen sah. Vorihnen lief Kommissar Kramer, an der Seite von Lars-Igel. Er lächelte mir zu, als er neben Mia im Ambulanzwagen Platz nahm und ihre unverletzte Hand hielt. „Quitt“, sagte sein Blick. Und: „danke“. Seine katzengrünen Augen kamen mir plötzlich kein bisschen stechend mehr vor.
    Jan legte seinen Arm um mich.
    „Und dann ritten sie zusammen in den Sonnenuntergang“, flüsterte ich matt und ließ mich kinoreif an seine nasse Brust sinken, während drei letzte salzige Tränen sich der Schwerkraft ergaben und mir im Schneckentempo übers Gesicht kullerten.

23
    „Zum Geier noch mal, Frida!“, schrie ich von der Badezimmertür Richtung Küche. „Was haben deine verdammten Schlangenbabys in der Badewanne zu suchen?“
    „Rühr sie nicht an“, rief Frida und sprang die Treppe hoch. „Da ist es am wärmsten. Und am ruhigsten.“
    Mit perfektem Timing hatte Marzipan unsere Abwesenheit und den häuslichen Frieden genutzt, um in aller Ruhe Mutter zu werden. Seither hing sie lasziv in ihrem Kletterbaum und betrachtete von oben gelangweilt ihre Brut. Sie bestand aus neun braun gesprenkelten weißen Eiern und erinnerte mich verschärft an eine Riesenladung Hühnerkacke. Frida hatte begeistert festgestellt, dass man durch die ledrig weiche Schale bereits die winzigen Reptilien hindurchschimmern sah. Beunruhigt von Marzipans Rabenmutter-Attitüde hatte sie fürsorglich das Unterhemd meines Vaters – es besaß mittlerweile die gleiche Farbe wie die Eier – um Marzipans kostbares Gelege drapiert und ihre Installation in der Badewanne untergebracht. Für Jasper hatte das immerhin den Vorteil, dass er endlich wieder in Zivil herumlaufen durfte, ansonsten war es einfach nur eklig.
    „Das kann ja wohl nicht wahr sein.“ Angewidert zerrte ich den Chiquita-Bananenkarton mit seiner dicken Sandeinlage, Martins Ex-Unterhemd und den Hühnerkacke-Eiern aus der Wanne und drückte ihn Frida in die Arme.
    „Menno, Fanny, die müssen doch schlüpfen.“
    „Da soll sich gefälligst Marzipan drum kümmern und ihre Minimonster selbst warm halten.“
    „Aber Kornnattern haben keinen Brutinstinkt. Die legen die
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