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Tote essen kein Fast Food

Titel: Tote essen kein Fast Food
Autoren: Karin Baron
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Eier ab und fertig.“
    „Wie praktisch. Und jetzt soll ich ihre Mutter spielen, wenn ich ein Bad nehmen möchte, oder was? Ich will dir mal was sagen: Ich hab auch keinen Brutinstinkt. Ich krieg nur einen Würg-Instinkt, wenn ich die Biester sehe.“
    „Aber sie stören dich doch gar nicht. Die liegen da ganz friedlich und …“
    „… ich steh hier ganz friedlich“, unterbrach Martin mit dem olivgrünen Telefonhörer an seiner vorsintflutlichen Strippe in der Hand von unten unser Wortgefecht. „Bitte tut mir nichts. Hier, für dich, Fanny.“
    „Und ob die mich stören“, zischte ich Frida zu, trabte barfuß an ihr vorbei die Treppe hinunter und blökte einen Tick zu laut „Hallo“ in den Hörer.
    „Polizeiwache Westerland“, blökte es zurück. „Spreche ich mit Helena Filius? Der jungen Dame, die die flüchtige Mia Sander gefunden hat?“ Ich verzog das Gesicht, verzichtete aber auf lange Erklärungen.
    „Ja, hier ist Fanny Filius.“
    „Moin, Frau Filius. Ich habe hier eine Handynummer für Sie. Ein junger Mann namens Lars Andresen bittet Sie um Rückruf. Wir konnten ihm nicht einfach Ihre Nummer überlassen. Datenschutz.“ Dann leierte mir die Frauenstimme eine zehnstellige Nummer ins Ohr, die ich mangels Alternative mit Sveas türkisem Kajalstift auf Tante Hedis halb erblindeten Flur-Spiegel schrieb. Lars Andresen? Was konnteIgel von mir wollen? Es war zwei Tage her, dass er mir sein „quitt“ aus dem Ambulanzwagen zugelächelt hatte.
    „Wie geht’s Mia?“, fragte ich, als er nach sechsmal Klingeln abhob.
    „Das kannst du sie selbst fragen“, erwiderte er. „Sie möchte dich und deinen Freund gern sehen.“
    „Wo ist sie jetzt? In der Zeitung gab’s nur eine kurze Meldung.“
    „Na, noch immer im Krankenhaus. Ihr linker Fuß ist gebrochen. Ansonsten hat sie zum Glück nur ein paar Kratzer und eine Gehirnerschütterung abbekommen. Ihre dicke Lederjacke hat das Schlimmste verhindert.“
    „Okay“, sagte ich. „Wo genau finde ich sie da?“
    Drei Stunden später betrat ich zum zweiten Mal in diesen Ferien die Nordsee-Klinik. Diesmal auf zwei Beinen und mit Jan an meiner Seite, aber kaum weniger angespannt.
    Mia lag allein in einem Zweibettzimmer in der dritten Etage mit Balkon und Blick aufs Meer. Als wir eintraten, saß sie im Bett und war damit beschäftigt, systematisch einen eng beschriebenen Karoblock erst in schmale Streifen und dann zu Vierecken zu zerreißen. „Hi“, sagte sie und blickte von ihrem Zerstörungswerk auf.
    „Hi.“
    Hätte ich nicht gewusst, dass es sich um Mia handelte, hätte ich sie nicht erkannt. Michael-Jackson-bleich schaute sie unter ihrem pechschwarz gefärbten Haarschopf hervor, der in alle Richtungen abstand. Ohne ihr Gothic-Vampir-Make-up und das martialische Nasenpiercing sah sie viel jünger aus als auf dem Foto in der Zeitung. Irgendwie verletzlich und kein bisschen gefährlich, wie auch Frida sie geschildert hatte. Das einzige bisschen Farbe in ihrem Gesicht, außer den dunklen Augen, war die Schramme, die sich von der linken Schläfe bis über den Wangenknochen zog. Am meisten aber überraschte mich der langohrige Kuschelhase, der auf ihrem Nachttisch an einer Flasche O-Saft lehnte, neben einer siebenschwänzigen Rattenbrosche, die ich aus der Zeitung kannte.
    Mia hatte mein Erstaunen bemerkt. „Das ist Tick“, sagte sie und grinste schief. „Ersatz für Muffin. Die wollten sie hier nicht haben.“ Sie wischte sich eine ihrer Rabenflusen aus dem Gesicht. „Höchstens als Laborratte, aber das wollte ich nicht.“ Mit einer energischen Bewegung schredderte sie die letzten beiden Karoseiten. „Bin gleich fertig“, sagte sie, während sie akribisch die Papierfetzen herauszupfte, die prinzipiell in der Spiralbindung hängen bleiben.
    Mit dem rechten Fuß schob sie die Bettdecke ans Fußende, vorsichtig, damit das Papierpuzzle nicht auf dem hellgrauen Linoleumboden landete. Ihre kalkweißen Beine steckten in der gleichen karierten Boxershorts aus der Herrenabteilung von H&M, die ich auch hatte. Der kalkige Gips unterhalb des Knies fiel optisch kaum auf.
    „Tut’s sehr weh?“
    „Könntet ihr mir vielleicht ein Gefäß besorgen für das Zeugs da?“ Mit dem Kinn wies Mia Richtung Papierschnipsel, ohne auf meine Frage einzugehen. „Aber keine von den ekligen Kotzschalen aus Recycling-Pappe. Von dieser Haferschleimfarbe muss man ja schon spucken, wenn einem gar nicht schlecht ist.“ Sie verzog das Gesicht. „Ich brauch was Feuerfestes.
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