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Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Titel: Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
Autoren: Robert E. Howard
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Welt das wusste. Ortali war ein bemerkenswert begabter Mann und hätte es sicherlich in jedem Beruf zu etwas gebracht, aber eine seltsame Ader in ihm machte ihn im Verein mit seinem ungewöhnlichen, habgierigen Wesen zu einem Parasiten, einem Blutegel.
    Diese Reise nach Dublin sollte für mich so etwas wie eine Urlaubsreise sein. Meine Studien und meine Arbeit hatten mich erschöpft. Aber Ortali hatte irgendwie von Grimmins Cairn, wie es sich nannte, gehört und wie ein Geier, der Aas riecht, bildete er sich ein, er befände sich auf der Spur eines versteckten Goldschatzes. Ein goldener Weinkelch wäre für ihn hinreichender Lohn für die Mühe gewesen, den Steinhaufen aufzureißen, und Anlass genug, das alte Wahrzeichen zu entweihen oder gar zu zerstören. Er war ein Schwein, und Gold war sein einziger Gott.
    Nun, dachte ich bitter, als ich mich für die Nacht auskleidete, alles hat einmal ein Ende, ob gut oder schlecht. Ein Leben, wie ich es gelebt hatte, war unerträglich. Ortali hatte mir so lange mit dem Galgen gedroht, dass die Drohung schließlich ihren Schrecken verloren hatte. Wegen der Liebe, die ich für meine Arbeit empfand, war ich unter der Last, die ich tragen musste, beinahe zusammengebrochen. Aber das menschliche Leidensvermögen hat seine Grenzen. Meine Hände wurden zu Eisen, als ich mir Ortali vorstellte, wie er neben mir um Mitternacht an dem einsamen Cairn arbeitete. Ein Schlag mit einem Stein, wie ich ihn heute aufgehoben hatte, und meine Qualen würden ein Ende haben. Dass damit auch mein Leben, meine Hoffnung, meine Karriere und mein Ehrgeiz enden würden, ließ sich nicht vermeiden. Ah, was für ein trauriges Ende all meiner hochfliegenden Träume! Wenn ein Strick und der lange Fall durch die schwarze Klappe im Boden eine ehrenvolle Laufbahn und ein nützliches Leben allzu früh beenden würden! Und all das wegen eines menschlichen Vampirs, dessen widerwärtige Gier an meiner Seele fraß und mich zu Mord und Verderben trieb.
    Aber ich wusste, dass mein Schicksal in den ehernen Büchern der Apokalypse geschrieben stand. Über kurz oder lang würde ich Ortali töten, gleichgültig, welche Folgen das auch haben mochte. Und ich war am Ende meines Weges angekommen. Die ständige Folter hatte mich, wie ich glaube, um einen Teil meines Verstandes gebracht. Ich wusste, wenn wir um Mitternacht am Grimmins Cairn arbeiteten, würde Ortalis Leben unter meinen Händen enden und ich würde damit mein eigenes Leben wegwerfen.
    Etwas fiel mir aus der Tasche, und ich nahm es auf. Es war der scharfe Steinbrocken, den ich an dem Cairn aufgehoben hatte. Ich musterte ihn gedankenverloren und fragte mich, welch fremde Hände ihn in alten Zeiten berührt hatten und welch düsteres Geheimnis dieser Stein auf der öden Landzunge von Grimmins zu verbergen geholfen hatte. Ich schaltete das Licht aus und lag im Dunkeln da, hielt immer noch den Stein in der Hand, verloren, ganz im Bann meines düsteren Grübelns. Und allmählich sank ich in tiefen Schlummer.
    Ich war mir im Klaren darüber, dass ich träumte, wie das Menschen oft tun. Alles war unbestimmt, düster und, wie mir bewusst wurde, auf seltsame Weise mit dem Stück Stein verbunden, das meine schlafende Hand immer noch hielt. Gigantische, chaotische Szenen, Landschaften und Ereignisse wogten vor mir wie Wolken, die der Sturmwind treibt und durcheinanderwälzt. Langsam verfestigten sich die Bilder zu einer deutlich erkennbaren Landschaft, die vertraut und doch so fremd war. Ich sah eine weite, kahle Ebene, auf einer Seite von der grauen See begrenzt, auf der anderen von einem dunklen, raschelnden Wald; ein sich dahinschlängelnder Fluss durchschnitt die Ebene, und hinter diesem Fluss sah ich eine Stadt – eine Stadt, wie sie mein waches Auge noch nie gesehen hatte: kahl, schroff, massiv, mit der düsteren Architektur einer früheren, ungebärdigeren Zeit. Und auf der Ebene wütete wie im Nebel eine gewaltige Schlacht. Dicht gedrängte Reihen von Kriegern wogten vor und zurück, Stahl blitzte wie die See im Sonnenlicht, und Männer fielen wie reifer Weizen unter der Sense des Schnitters. Ich sah Männer in Wolfsfellen, wild, das Haar zerzaust, bluttriefende Äxte schwingen, sah hoch gewachsene Männer mit von Hörnern geschmückten Helmen, in glitzernden Kettenpanzern – ihre Augen kalt und blau wie die See. Und ich sah mich.
    Ja, in meinem Traum sah und erkannte ich, halb losgelöst, mich selbst. Ich war groß und muskulös; ich hatte dichtes, wirres Haar und
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