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Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Titel: Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
Autoren: Robert E. Howard
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Hand unter seinen Mantel fuhr. »Wir in Nordeuropa hatten Götter und Dämonen, mit denen verglichen die blassen Mythologien des Südens geradezu kindisch wirken. Zu einer Zeit, wo Ihre Vorfahren sich zwischen den zerbröckelnden Marmorsäulen einer im Zerfall begriffenen Zivilisation auf seidenen Kissen räkelten, haben meine Vorfahren unter großen Mühen und in gigantischen Schlachten ihre eigene Zivilisation gegen menschliche und nicht-menschliche Feinde aufgebaut.
    Hier, auf genau dieser Ebene, ging das Dunkle Zeitalter zu Ende, und das Licht einer neuen Ära dämmerte schwach über einer Welt voll Hass und Anarchie. Hier, und das wissen selbst Sie, brachen im Jahr 1014 Brian Boru und seine dalcassianischen Axtkämpfer für alle Zeit die Macht der heidnischen Wikinger – jener finsteren, anarchistischen Plünderer, die jahrhundertelang den Fortschritt der Zivilisation aufgehalten haben.
    Es war mehr als nur ein Machtkampf zwischen Gälen und Dänen um die Krone Irlands. Es war ein Krieg zwischen dem weißen Christus und Odin, zwischen Christen und Heiden. Es war der letzte Kampf der Heiden – der Menschen einer alten, düsteren Zeit. Dreihundert Jahre lang hatte sich die Welt unter dem Joch der Wikinger gewunden, und hier, auf Clontarf, wurde dieses Joch für alle Zeit zerschlagen.«
    »Damals wie heute wurde die Wichtigkeit jener Schlacht von höflichen lateinischen und latinisierten Schriftstellern und Historikern unterschätzt. Die verweichlichten, glatten Denker der zivilisierten Städte im Süden interessierten sich nicht für die Schlachten von Barbaren in einem fernen nordwestlichen Winkel der Welt – von einem Ort und von Menschen, deren Namen ihnen kaum etwas sagten. Sie wussten nur, dass die schrecklichen Überfälle der Meereskönige an ihren Küsten plötzlich aufhörten, und nach einem weiteren Jahrhundert war das wilde Zeitalter des Plünderns und Schlachtens fast vergessen – alles nur, weil sich ein ungehobeltes, halb zivilisiertes Volk, das kaum seine Blöße mit Wolfsfellen bedeckte, gegen die Eroberer erhoben hatte.
    Es war Ragnarok, der Fall der Götter! In Wahrheit ist Odin genau an diesem Ort gestürzt, weil seiner Religion der Todesstoß versetzt wurde. Er war der letzte von all den Heidengöttern, die sich gegen das Christentum gestellt hatten, und eine Weile sah es so aus, als könnten seine Kinder die Oberhand erlangen und die Welt wieder in Dunkelheit und Blutrausch stürzen. Vor Clontarf, so berichten es die Legenden, erschien er seinen Anhängern häufig auf der Erde. Sie erblickten ihn undeutlich im Rauch der Opfer, wo nackte Menschenopfer schreiend starben. Oder er ritt auf den vom Wind zerfetzten Wolken und seine wilden Locken flogen im Sturmwind. Oder man konnte ihn ganz vorne im Getümmel namenloser Schlachten sehen, wo er, gekleidet wie ein Wikingerkrieger, donnernde Schläge verteilte. Aber nach Clontarf wurde er nie wieder gesehen; seine Anhänger riefen ihn vergebens mit wilden Liedern und düsteren Opfern an. Sie verloren den Glauben an ihn, weil er sie in ihrer schlimmsten Stunde verlassen hatte; seine Altäre zerfielen, seine Priester wurden grau, starben, und die Menschen wandten sich dem zu, der ihn besiegt hatte, dem weißen Christus. Die Herrschaft von Blut und Eisen war vergessen, das Zeitalter der Meereskönige mit den blutigen Händen war vorbei. Die aufgehende Sonne sandte schwach ihr Licht in die Nacht des Dunklen Zeitalters, und die Menschen vergaßen Odin, der nicht mehr auf die Erde kam.
    Ja, lachen Sie nur, wenn Ihnen danach ist! Aber wer weiß schon, welche Schreckensgestalten in der Dunkelheit, der kalten Düsternis und den unwirtlichen schwarzen Abgründen des Nordens geboren wurden? In den südlichen Ländern scheint die Sonne, Blumen blühen, und unter dem sanften Himmel lachen die Menschen über die Dämonen. Aber wer kann schon sagen, welche elementaren Geister des Bösen in den wilden Stürmen und der Dunkelheit des Nordens lauern? Es mag sehr wohl sein, dass sich der Kult des Grauens, der Kult von Odin und Thor und ihrer schrecklichen Verwandtschaft aus solchen Unholden der Nacht entwickelt hat.«
    Ortali blieb eine Weile stumm, als hätte meine Heftigkeit ihn verblüfft, dann lachte er. »Gut gesprochen, mein Philosoph aus dem Norden! Über diese Fragen werden wir ein andermal diskutieren. Wie konnte ich auch erwarten, dass ein Abkömmling nordischer Barbaren nicht wenigstens eine Spur der Träume und der Mystik seiner Rasse in sich tragen
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