Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Titel: Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
Autoren: Robert E. Howard
Vom Netzwerk:
gebrauchte, hatte ich für eine ausgestorbene Sprache gehalten: Es war das Gälisch der Gelehrten, rein und mit ausgeprägt archaischem Klang. Eine Frau aus dem abgeschiedenen Bergland, dachte ich, wo die Leute immer noch die unverfälschte Sprache ihrer Vorfahren sprachen.
    »Wir haben Spekulationen über das Geheimnis angestellt, das den Cairn umgibt«, antwortete ich in derselben Sprache, aber zögernd, denn obwohl ich die modernere Form dieser Sprache, die in den Schulen gelehrt wird, beherrsche, war es anstrengend, mich der Sprechweise der Frau anzupassen. Sie schüttelte bedächtig den Kopf. »Der dunkle Mann, der bei Euch war, gefällt mir nicht«, sagte sie ernst. »Wer seid Ihr?«
    »Ich bin Amerikaner, aber hier geboren und aufgewachsen«, antwortete ich. »Mein Name ist James O’Brian.«
    Ein seltsames Leuchten trat in ihre kalten Augen.
    »O’Brian? Ihr gehört zu meinem Clan. Ich bin als eine O’Brian geboren. Ich habe einen Mann von den MacDonnals geheiratet, aber mein Herz war immer bei den Menschen meines Blutes.«
    »Lebt Ihr hier in der Gegend?«, erkundigte ich mich und wunderte mich immer noch über ihren ungewöhnlichen Akzent.
    »Ja, ich habe einmal hier gelebt«, antwortete sie, »aber ich war lange Zeit weit weg. Alles hat sich verändert – sehr verändert. Ich wäre nicht zurückgekehrt, aber ein Ruf hat mich hierhergeholt, den Ihr nicht verstehen würdet. Sagt mir, wollt Ihr den Cairn öffnen?«
    Ich musterte sie mit starrem Blick und kam zu der Überzeugung, dass sie irgendwie unser Gespräch gehört hatte.
    »Das habe nicht ich zu entscheiden«, antwortete ich bitter. »Ortali – mein Begleiter –, er wird den Cairn zweifellos öffnen, und ich bin gezwungen, ihm zu helfen. Wenn es nach meinem Wunsch ginge, würde ich seine Ruhe nicht stören.«
    Ihre kalten Augen bohrten sich in meine Seele.
    »Narren rennen blindlings in ihr Unheil«, sagte sie düster. »Was weiß dieser Mann schon von den Geheimnissen dieses alten Landes? Hier sind Taten verrichtet worden, deren Echo um die Welt ging. Dort hinten, in ferner Vergangenheit, als der Wald von Tomar sich düster und raschelnd über die Ebene von Clontarf erhob und die dänischen Mauern von Dublin im Süden des Liffey-Flusses hochragten, stillten die Raben ihren Hunger an den Erschlagenen, und die untergehende Sonne leuchtete auf rote Seen herab. Dort haben König Brian, Euer Vorfahr und meiner, die Speere des Nordens gebrochen. Aus allen Landen kamen sie und von den Inseln im Meer, in schimmernder Wehr kamen sie, und ihre gehörnten Helme warfen lange Schatten über das Land. Die Drachen am Bug ihrer Schiffe drängten sich in den Wellen, und der Klang ihrer Ruder dröhnte einem Sturm gleich.
    Auf jener Ebene fielen die Helden wie der reife Weizen unter der Sense. Jarl Sigurd von den Orkneys fiel dort, und Brodir von Man, der letzte der Meeresfürsten, und all ihre Häuptlinge. Auch Prinz Murrogh und sein Sohn Turlogh fanden dort den Tod und viele Häuptlinge der Gälen, und König Brian Boru selbst, der mächtigste Herrscher von Erin.«
    »Richtig!« Die epischen Geschichten des Landes meiner Vorfahren befeuerten stets meine Fantasie. »Blut der Meinen ist hier vergossen worden, und wenn ich auch die meisten Jahre meines Lebens in einem fernen Land verbracht habe, gibt es doch Bande des Blutes, die meine Seele mit dieser Küste verbinden.«
    Sie nickte langsam und zog dann unter ihren Gewändern etwas hervor, das im Licht der untergehenden Sonne stumpf funkelte.
    »Nehmt dies«, sagte sie. »Als Zeichen der Blutsbande gebe ich es Euch. Ich spüre, dass Seltsames und Ungeheures geschieht, aber dies wird Euch vor dem Bösen und dem Volk der Nacht beschützen. Es ist heilig, weit über die Belange der Menschen hinaus.«
    Ich nahm den Gegenstand staunend entgegen. Es war ein Kruzifix aus eigenartig bearbeitetem Gold, mit winzigen Edelsteinen besetzt. Die Arbeit war höchst archaisch und unverkennbar keltisch. In mir regte sich vage die Erinnerung an eine lang verschollene Reliquie, die vergessene Mönche in verblassten Manuskripten beschrieben hatten.
    »Herr im Himmel!«, rief ich aus. »Das ist – das muss – das kann nichts anderes als das verlorene Kruzifix des Heiligen Brandon dem Gesegneten sein!«
    »Aye.« Sie senkte ihren düsteren Kopf. »Das Kreuz des Heiligen Brandon, vor langer Zeit von den Händen des Heiligen gefertigt, ehe die Wikingerbarbaren Erin zu einer roten Hölle gemacht haben – in den Tagen, in denen goldener
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher