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Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Titel: Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
Autoren: Robert E. Howard
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äußerst groß gewesen, aber im Augenblick erfüllten zu sehr Hass und lodernde Wut mein Bewusstsein. Ich steckte das Kreuz in die Tasche zurück und ging bedrückt daran, über meine Beziehung zu Ortali nachzudenken, eine Verbindung, die meinen Freunden ein Rätsel, aber die doch so einfach war.
    Einige Jahre zuvor war ich auf bescheidene Weise mit einer gewissen großen Universität verbunden gewesen. Einer der Professoren, mit dem ich zusammenarbeitete – ein Mann namens Reynolds –, war gegenüber Leuten, die er als minderwertig betrachtete, von unerträglich anmaßendem Wesen. Ich war ein von Armut geplagter Student, der sich Mühe gab, seinen Lebensunterhalt in einem System zu verdienen, das die Existenz als Studierender sehr unsicher machte. Ich ertrug die Demütigungen von Professor Reynolds so lange ich konnte, aber eines Tages kam es zum Zusammenstoß zwischen uns. Der Anlass dafür ist ohne Belang; an und für sich war er recht trivialer Natur. Weil ich es wagte, auf seine Beleidigungen zu antworten, wurde Reynolds mir gegenüber tätlich und ich schlug ihn daraufhin bewusstlos.
    Am selben Tag veranlasste er, dass ich von der Universität verwiesen wurde. Ich stand nicht nur vor der abrupten Beendigung meiner Arbeit und meiner Studien, sondern buchstäblich vor dem Verhungern und war daher verzweifelt. So begab ich mich spät in jener Nacht zu Reynolds Arbeitszimmer, in der Absicht, ihm eine gewaltige Abreibung zu verpassen. Ich fand ihn allein in seinem Studierzimmer, aber kaum, dass ich es betreten hatte, sprang er auf und ging wie ein wildes Tier mit einem Dolch, den er als Brieföffner benutzte, auf mich los. Ich schlug ihn nicht; berührte ihn nicht einmal. Aber als ich zur Seite trat, um seinem Angriff auszuweichen, rutschte ein kleiner Läufer unter ihm weg. Er fiel kopfüber nach vorn und zu meinem Schrecken bohrte sich der Dolch in seiner Hand in sein Herz, während er stürzte. Er starb auf der Stelle. Meine Lage war mir sofort klar. Es war bekannt, dass ich mit dem Mann gestritten, ja mich sogar mit ihm geschlagen hatte. Ich hatte allen Anlass, ihn zu hassen. Falls man mich mit dem Toten in dessen Arbeitszimmer fand, würde mir kein Geschworenengericht auf der ganzen Welt glauben, dass ich ihn nicht ermordet hatte. Ich verließ den Raum in aller Eile auf demselben Weg, auf dem ich gekommen war, und glaubte, ich sei unbeobachtet geblieben. Aber Ortali, der Sekretär des Toten, hatte mich gesehen. Er war von einer Tanzveranstaltung zurückgekehrt und hatte beobachtet, wie ich das Gebäude betrat, war mir gefolgt und hatte durchs Fenster das ganze Geschehen gesehen. Aber das wusste ich erst viel später.
    Die Leiche wurde von der Haushälterin des Professors gefunden, und es gab natürlich große Aufregung. Der Verdacht richtete sich gegen mich, aber das Fehlen von Beweisen verhinderte, dass ich unter Anklage gestellt wurde, und eben dieses Fehlen von Beweisen führte auch dazu, dass man den Tod des Professors als Selbstmord einstufte. Ortali hatte sich die ganze Zeit ruhig gehalten, aber jetzt kam er zu mir und enthüllte mir sein Wissen. Natürlich wusste er, dass ich Reynolds nicht getötet hatte, aber er konnte beweisen, dass ich mich in dem Arbeitszimmer befunden hatte, als der Professor den Tod erlitten hatte. Und ich wusste, dass Ortali fähig dazu war, seine Drohung wahr zu machen und zu beschwören, dass er mich dabei beobachtet habe, wie ich Reynolds kaltblütig ermordet hatte. Und damit begann eine systematische Erpressung.
    Ich maße mir an zu behaupten, dass es nie eine seltsamere Erpressung gegeben hat. Ich hatte damals kein Geld – Ortali setzte auf meine Zukunft, weil er sich meiner Fähigkeiten sicher war. Er schoss mir Geld vor und sorgte dafür, indem er geschickt Drähte zog, dass ich zu einem größeren Kolleg zugelassen wurde. Dann wartete er ab, um die Früchte seiner Machenschaften einzuheimsen und erntete die Saat, die er ausgebracht hatte, in vollem Umfang. Ich wurde in meinem Beruf äußerst erfolgreich, bezog bald für meine reguläre Arbeit ein enormes Gehalt und empfing üppige Preise und Zuwendungen für verschiedenste aufwendige Forschungsarbeiten. Und davon nahm Ortali den Löwenanteil für sich – zumindest in Geld. Ich schien die Gabe des Midas zu besitzen, aber vom Wein meines Erfolgs kostete ich nur den Bodensatz.
    Ich hatte kaum einen Cent, der mir gehörte. Das Geld, das durch meine Hände floss, hatte meinen Sklaventreiber reich gemacht, ohne dass die
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