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Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Titel: Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
Autoren: Robert E. Howard
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war nackt, bloß ein Wolfsfell gürtete meine Lenden. Ich rannte brüllend zwischen den Reihen der Kämpfer, schlug mit einer roten Axt um mich, und aus Wunden, die ich kaum spürte, rann mir das Blut über die Flanken. Meine Augen waren von kaltem Blau, mein zottiges Haar und mein ebensolcher Bart waren rot.
    Einen Augenblick lang war ich mir meiner gespaltenen Persönlichkeit bewusst, erkannte, dass ich zugleich jener wilde Mann war, der mit der blutigen Axt um sich schlagend auf dem Schlachtfeld rannte, und der schlummernde und träumende Mann viele Jahrhunderte später. Aber dieses Gefühl verblasste schnell. Ich war mir nicht länger einer anderen Persönlichkeit bewusst als jener des Barbaren, der da rannte und zuschlug. James O’Brian existierte nicht; ich war Red Cumal, Fußsoldat des Brian Boru, und von meiner Axt triefte das Blut meiner Feinde.
    Das Brüllen der Schlacht wurde leiser, wenn auch noch hier und dort auf der Ebene einzelne Grüppchen von Kriegern kämpften. Unten am Fluss schlugen sich halbnackte Stammesbrüder, bis zu den Hüften im sich rötenden Wasser stehend, mit behelmten Kriegern, deren Kettenpanzer sie nicht vor den Schlägen der dalcassianischen Axt schützen konnten. Und auf der anderen Seite des Flusses taumelte eine blutige, ungeordnete Horde durch die Tore von Dublin.
    Die Sonne sank tief am Horizont. Den ganzen Tag über hatte ich neben den Häuptlingen gekämpft. Ich hatte gesehen, wie Jarl Sigurd unter dem Schwert von Prinz Murrogh fiel. Ich hatte Murrogh selbst im Augenblick seines Sieges sterben sehen – von der Hand eines finster blickenden gepanzerten Riesen, dessen Name keiner kannte. Ich hatte gesehen, wie Brodir und König Brian zusammen an der Tür zum Zelt des großen Königs fielen.
    Aye, es war ein Festmahl für die Raben gewesen, eine rote Flut des Schlachtens, und ich wusste, dass die Flotten mit den Drachen am Bug künftig nicht mehr mit Brandfackeln und Verwüstung aus dem blauen Norden kommen würden. Soweit das Auge reichte, lagen die Wikinger in ihren schimmernden Panzern wie der reife Weizen nach der Mahd. Und zwischen ihnen lagen Tausende Leichen in den Wolfsfellen der Stämme, doch die Zahl der Toten aus dem Norden übertraf um vieles die der Toten von Erin. Ich war müde, und der Gestank von Blut erzeugte Übelkeit in mir. Ich hatte meine Seele mit dem Gemetzel übersättigt, und jetzt stand mir der Sinn nach Plünderung. Und ich fand Beute – fand sie an der Leiche eines üppig gekleideten Wikingerhäuptlings, der dicht am Ufer lag. Ich riss ihm den silbernen Schuppenpanzer herunter, nahm seinen Helm mit den Hörnern. Sie passten, als wären sie für mich gemacht, und ich stolzierte zwischen den Toten umher, rief meinen wilden Kameraden zu, dass sie mich bewundern sollten, obwohl der Harnisch sich fremd anfühlte, denn die Gälen verabscheuten Kettenpanzer und kämpften halbnackt.
    Auf meiner Suche nach Beute war ich weit aus der Ebene herausgewandert, weg vom Fluss, aber da lagen immer noch verstreut gepanzerte Leichen, denn als die Schlachtreihen aufrissen, hatten sich Flüchtlinge wie auch Verfolger über den ganzen Landstrich verstreut, vom dunkel wippenden Wald von Tomar bis hin zum Fluss und dem Ufer des Meeres. Und auf dem zur See geneigten Hang der Landzunge von Drumna, außer Sichtweite der Stadt und der Ebene von Clontarf, stieß ich plötzlich auf einen sterbenden Krieger. Er war hoch gewachsen und breit gebaut und trug einen grauen Kettenpanzer. Er lag halb verhüllt von einem dunklen Umhang da, sein Schwert lag zerbrochen neben seiner mächtigen rechten Hand. Der Helm mit den Hörnern war ihm vom Kopf gefallen, und seine Elfenlocken wehten im Westwind.
    Wo ein Auge hätte sein sollen, war eine leere Höhle, das andere Auge schimmerte kalt und finster wie das Nordmeer, obwohl der nahende Tod es schon trübte. Blut quoll aus einem Riss in seinem Panzer. Ich näherte mich ihm vorsichtig, und eine seltsame kalte Furcht, die ich nicht begreifen konnte, erfasste mich. Die Axt bereit zum Schlag beugte ich mich über ihn und erkannte ihn als den Häuptling, der Prinz Murrogh erschlagen und die Krieger der Gälen wie ein Schnitter bei der Ernte niedergemäht hatte. Wo immer er gekämpft hatte, hatten die Nordmänner sich durchgesetzt, aber überall sonst auf dem Schlachtfeld waren die Gälen unaufhaltsam gewesen.
    Und jetzt sprach er in der Sprache der Wikinger zu mir, und ich verstand ihn, hatte ich doch lange bittere Jahre als Sklave unter den
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