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Total verhext

Total verhext

Titel: Total verhext
Autoren: Terry Pratchett
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aus den Spiegeln.
    »Es ist vorbei«, sagte Oma. »Nimm meinen Besen, und ich nehme Magrats – sie kann bei Nanny aufsteigen. Frau Gogol wird dich nicht verfolgen; das habe ich geregelt. Zu Hause gibt es genug Arbeit für eine weitere Hexe, kein Problem. Aber hör auf mit dem Feen-Unfug. Schluß damit, irgendwelche Leute umzubringen, damit ihre Töchter wichtige Rollen in irgendeiner Geschichte spielen. Aus diesem Grund hast du getötet, nicht wahr? Komm mit nach Hause. Dieses Angebot kannst du nicht ablehnen.«
    Der Spiegel glitt lautlos zurück.
    »Versuchst du etwa, nett zu mir zu sein?« fragte Lily.
    »Ja, und es fällt mir verdammt schwer«, erwiderte Oma in normalerem Tonfall.
    Lilys Kleid raschelte in der Dunkelheit, als sie vortrat.
    »Es ist dir also gelungen, die Sumpf-Frau zu besiegen«, sagte sie.
    »Nein.«
    »Aber du bist hier.«
    »Ja.«
    Lily nahm Oma den Besen aus der Hand und betrachtete ihn.
    »So ein Ding habe ich nie benutzt«, meinte sie. »Man setzt sich einfach drauf und fliegt los?«
    »Bei diesem muß man erst ziemlich viel laufen, bevor er startet«, antwortete Oma. »Aber ansonsten hast du recht.«
    »Hm. Kennst du die symbolische Bedeutung solcher Besen?«
    »Hat sie etwas mit Maibäumen, Volksliedern und dergleichen zu tun?« fragte Oma.
    »Ja.«
    »Dann möchte ich nichts davon hören.«
    »Dachte ich mir«, kommentierte Lily und reichte den Besen zurück.
    »Ich bleibe hier«, fuhr sie fort. »Frau Gogol hat sich einen neuen Trick einfallen lassen, aber das bedeutet nicht, daß sie gewonnen hat.«
    »Nein, es ist jetzt vorbei«, betonte Oma Wetterwachs noch einmal. »So geschieht es eben, wenn man die Welt in Geschichten verwandelt. Das gehört sich nicht. Du hättest nie zulassen dürfen, daß die Geschichten alles andere dominieren. Man sollte Menschen nicht so behandeln, als seien sie Figuren oder Dinge. Und wenn doch … Dann muß man wissen, wo und wann die Geschichte endet.«
    »Dann wird’s Zeit, die roten Schuhe anzuziehen und zu tanzen, bis die Nacht dem Tag weicht?« fragte Lily.
    »Etwas in der Art, ja.«
    »Anschließend leben alle glücklich und zufrieden? Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute?«
    »Das weiß ich nicht«, entgegnete Oma. »Es hängt von den jeweiligen Leuten ab. Doch es ist mir klar, daß man nicht noch einmal von vorn beginnen kann. Für dich heißt das: Du hast verloren.«
    »Du solltest wissen, daß ein Wetterwachs nie verliert«, sagte Lily.
    »Ausnahmen bestätigen die Regel.«
    »Wir befinden uns außerhalb der Geschichten«, meinte Lily. »Ich, weil ich es ihnen ermögliche, Wirklichkeit zu werden. Und du gehörst nicht dazu, weil du gegen die Geschichten kämpfst. Wir stehen in der Mitte und sind frei …«
    Hinter ihnen ertönten Geräusche. Die Gesichter von Magrat und Nanny Ogg erschienen an der Treppe.
    »Brauchst du Hilfe, Esme?« fragte Nanny vorsichtig.
    Lily lachte.
    »Hier kommen deine Schlangen«, sagte sie.
    »Eigentlich bist du genau wie ich«, fuhr sie fort. »Ist dir das klar? Welche Gedanken mir auch immer durch den Kopf gingen – du hast sie ebenfalls gedacht. Ganz gleich, was ich unternommen habe – du hast das gleiche in Erwägung gezogen. Dir fehlte nur der Mut zu handeln. Das ist der Unterschied zwischen uns. Ich bin mutig genug, um zu verwirklichen, was du dir nur erträumst.«
    »Ach?« erwiderte Oma. »Du glaubst also, daß ich träume?«
    Lily bewegte einen Finger. Magrat verlor plötzlich den Boden unter den Füßen, schwebte hoch und strampelte mit den Beinen. Verzweifelt schwang sie den Zauberstab hin und her.
    »Leute, die sich etwas wünschen«, ließ sich Omas Schwester vernehmen. »Wie seltsam. Ich habe mich nie darauf beschränkt, mir nur etwas zu wünschen. Ich habe dafür gesorgt, daß etwas geschieht. Das ist viel lohnender.«
    Magrat knirschte mit den Zähnen.
    »Als Kürbis sähe ich bestimmt nicht sehr gut aus, Schätzchen.« Lily gestikulierte beiläufig. Magrat stieg noch höher auf.
    »Es würde dich überraschen, zu welchen Dingen ich fähig bin, Esme«, sagte Lily verträumt, während die junge Hexe einige Meter über dem Boden hin und her glitt. »Du hättest es ebenfalls mit Spiegeln versuchen sollen. Für die Seele wirken sie Wunder. Die Sumpf-Frau habe ich nur am Leben gelassen, weil ich ihren Haß erfrischend fand. Es gefällt mir, gehaßt zu werden. Das verstehst du sicher. Es ist eine Art Respekt. Es zeigt, daß man nicht ohne Wirkung bleibt. So etwas ist wie ein kühles
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