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Total verhext

Total verhext

Titel: Total verhext
Autoren: Terry Pratchett
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Man kann es auch anders ausdrücken: Geschichten sind eine parasitäre Lebensform, die alles andere ihrem eigenen Zweck einverleibt. 2
    Nur eine ganz besondere Person ist imstande, Widerstand zu leisten und zum historischen Bicarbonat zu werden. Es war einmal …
    Graue Hände griffen nach dem Hammer, holten aus und trieben den Pfahl dreißig Zentimeter tief in den Boden.
    Zwei weitere Schläge verankerten ihn unverrückbar fest.
    In den Bäumen am Rand der Lichtung sahen Vögel und Schlangen zu. Im nahen Sumpf glitten Alligatoren dahin, wie lange Holzstücke, denen Zähne gewachsen waren.
     
    Graue Hände befestigten die Querlatte. Sie zogen die Riemen aus Ranken und Lianen so fest, daß sie knarrten.
    Sie beobachtete ihn. Nach einer Weile holte sie einen Spiegelsplitter hervor und band ihn oben an den Pfahl.
    »Der Mantel«, sagte sie.
    Er streifte ihn über die Querlatte. Wie sich herausstellte, war der Pfosten nicht hoch genug: Der Saum des Mantels reichte bis zum Boden.
    »Und jetzt der Hut«, fügte sie hinzu.
    Es handelte sich um ein großes, rundes und schwarzes Gebilde. Ein seltsamer Glanz ging davon aus.
    Der Spiegelsplitter funkelte in der Dunkelheit zwischen Hut und Mantel.
    »Klappt es?« fragte er.
    »Ja«, antwortete sie. »Selbst Spiegel haben Spiegelbilder. Deshalb lassen sich Spiegel am besten mit Spiegeln bekämpfen.« Sie blickte durch die Bäume zu einem schmalen weißen Turm in der Ferne. »Wir müssen ihr Spiegelbild finden.«
    »Dann muß dieses Ding eine ziemliche Reichweite haben.«
    »Ja. Wir brauchen jede nur mögliche Hilfe.«
    Sie sah sich auf der Lichtung um.
    Sie hatte Herrn Sichere Heimkehr um Hilfe gebeten, auch Lady Kommgutnachhaus, Rührmichnichtan und Du-bereust-es-später.
    Vermutlich waren es keine besonders guten Götter. Aber ihr fielen keine anderen ein.
     
    Dies ist eine Geschichte über Geschichten.
    Und darüber, was es wirklich bedeutet, eine gute Fee zu sein.
    Außerdem geht es um Spiegel und Spiegelbilder.
    Überall im Multiversum gibt es primitive Stämme 3 , die Spiegeln und ihren Reflexionen mißtrauen. Angeblich stehlen sie den abgebildeten Leuten einen Teil der Seele, und solchen Verlusten gilt es vorzubeugen. Die Besserwisser mit mehr Kleidung halten das für Aberglauben – obgleich Personen, die häufig in Bildern der einen oder anderen Art erscheinen, im Laufe der Zeit immer dünner wirken. Man führt das auf zuviel Streß und – bezeichnenderweise – eine gewisse Oberflächlichkeit zurück.
    Der Aberglauben muß nicht unbedingt im Unrecht sein.
    Spiegel sind tatsächlich dazu imstande, Teile von Seelen aufzusaugen. Spiegel können ein Abbild des ganzen Universums zeigen. Man stelle sich das vor: ein Kosmos voller Sterne, enthalten in versilbertem Glas, kaum dicker als ein Atemhauch.
    Wer sich mit Spiegeln auskennt, weiß fast alles.
    Sehen wir in diesen Spiegel hier …
    … noch etwas tiefer …
    … bis hin zu einem orangefarbenen Licht auf einem kalten Berggipfel, viele tausend Kilometer von der modrigen Wärme des Sumpfes entfernt …
     
    Die Einheimischen nannten ihn den Bärigen Berg, wobei darauf hingewiesen werden muß, daß »bärig« im lokalen Dialekt soviel wie »kahl« bedeutete. Eine der Konsequenzen bestand in profitabler Verwirrung. Häufig kamen Besucher mit Armbrüsten, Fallen und Netzen und fragten im herablassenden Tonfall zukünftiger Helden nach Führern, die sie zu den Bären bringen konnten. Die Bewohner der entsprechenden Gegend verdienten viel Geld durch den Verkauf von: Broschüren; Karten verborgener Bärenhöhlen; Kuckucksuhren, hinter deren Klappen Bären zum Vorschein kamen; Spazierstöcken mit Bärenknauf; Kuchen und Plätzchen in Form von Bären. Die Geschäfte gingen so gut, daß es niemand für erforderlich hielt, das Mißverständnis zu klären. 4
    Bäriger – also kahler – konnte ein Berg kaum sein.
    Auf halbem Weg nach oben gaben die Bäume auf. Jenseits davon klammerten sich nur noch einige besonders zähe Kiefern und Fichten an die Hänge, vergleichbar mit den wenigen erbärmlichen Strähnen, die ein verzweifelter Glatzkopf zur Tarnung verwendet.
    Hexen trafen sich dort. An diesem Abend brannte ein Feuer auf dem Gipfel. Dunkle Gestalten bewegten sich im flackernden Schein der Flammen.
    Der Mond glitt über ein Filigranmuster aus faserigen Wolken.
    Schließlich fragte einer der mit spitzen Hüten ausgestatteten Schemen:
    »Was soll das heißen, wir alle haben Kartoffelsalat mitgebracht?«
     
    Eine Hexe aus den
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