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Total verhext

Total verhext

Titel: Total verhext
Autoren: Terry Pratchett
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Prügel. Nicht mit Magie oder Kopfologie. Auch nicht mit einem Stock, wie ihn damals unser Vater verwendete, und zwar ziemlich oft, wenn ich mich recht entsinne. Nein, diese Tracht Prügel ist ganz spezieller Natur. Du bekommst sie nicht etwa, weil du die Böse bist. Oder weil du mit Geschichten herumgepfuscht hast. Jeder geht seinen eigenen Weg. Nein, ich verpasse dir jetzt einen Denkzettel, weil du damals von zu Hause fortgegangen bist, denn dadurch mußte ich die Gute sein. Du hattest den ganzen Spaß. Vermutlich gibt es keine Möglichkeit, es dir auf angemessene Weise heimzuzahlen, aber ich bin entschlossen, es zumindest zu versuchen …«
    »Aber ich … ich … ich bin die Gute«, stotterte Lily. Sie war so verblüfft und erschrocken, daß ihr das Blut aus den Wangen wich. »Ich bin die Gute. Ich kann nicht verlieren. Ich bin die gute Fee, und du bist die böse Hexe. Und du hast den Spiegel zerbrochen …«
    … rast das Bersten des Spiegels wie ein Komet, erreicht die fernste Stelle und kehrt in einem weiten Bogen zurück, saust durch zahllose Welten …
    »Hilf mir …«, brachte Lily hervor und wankte zum heil gebliebenen Glas. »Die Bilder müssen neu ins Gleichgewicht gebracht werden …«
    »Du willst die Gute sein?« empörte sich Oma. »Du hast Personen für Geschichten geopfert, ihr Leben so manipuliert, wie es dir paßte. Willst du etwa behaupten, daß es dir überhaupt keinen Spaß gemacht hat? Wenn ich so böse gewesen wäre wie du, hätte ich es weitaus schlimmer getrieben, das darf ich dir versichern.«
    Sie zog die Hand zurück.
    … Der Riß schleuderte nun seinem Ursprung entgegen und trug die Reflexionen aller Spiegel mit sich …
    Oma Wetterwachs beobachtete den Vorgang. Das Glas hinter ihrer Schwester zersprang. Im Spiegel drehte sich das Abbild von Lily Wetterwachs, lächelte glückselig, beugte sich aus dem Rahmen und umarmte sein Original. »Lily!«
     
    Alle Spiegel barsten und explodierten. Dadurch schien es für ein oder zwei Sekunden, als sei der obere Bereich des Turms in glitzernden Feenstaub gehüllt.
     
    Nanny Ogg und Magrat erreichten das Dach wie Racheengel, die in Zeiten schlampiger himmlischer Qualitätskontrolle in den Einsatz geschickt worden waren.
    Sie blieben stehen.
    Wo sich zuvor das Spiegellabyrinth erstreckt hatte, standen jetzt nur noch leere Rahmen. Glassplitter bedeckten den Boden, und zwischen ihnen lag eine in Weiß gekleidete Gestalt.
    Nanny schob Magrat hinter sich und setzte dann langsam einen Fuß vor den anderen. Mit der Stiefelspitze stieß sie die Gestalt an.
    »Wir sollten sie vom Turm werfen«, meinte Magrat.
    »In Ordnung«, sagte Nanny. »Nur zu.«
    Die junge Hexe zögerte. »Als ich vorschlug, sie vom Turm zu werfen, dachte ich dabei nicht an mich persönlich. Ich, äh, wollte nur zum Ausdruck bringen, daß es gerecht wäre, sie in die Tiefe zu stürzen zu lassen …«
    »Wenn es dir nur darum ging, solltest du besser kein weiteres Wort über dieses Thema verlieren.« Nanny kniete vorsichtig inmitten der knirschenden Splitter. »Außerdem hatte ich recht. Dies ist Esme. Ihr Gesicht erkenne ich überall wieder. Zieh deinen Unterrock aus.«
    »Warum?«
    »Sieh dir ihre Arme an, Mädchen!«
    Magrat schaute. Und hob die Hände zum Mund.
    »Was hat sie gemacht?«
    »Offenbar hat sie versucht, direkt durchs Glas zu greifen«, antwortete Nanny. »Her mit dem Unterrock. Und hilf mir dabei, ihn in Streifen zu reißen. Eile anschließend zu Frau Gogol und frag sie nach Heilsalben. Wenn sie uns keine Hilfe gewähren kann, so sollte sie bis morgen früh möglichst weit von hier entfernt sein.« Nanny tastete nach Omas Puls. »Vielleicht ist Lily tatsächlich imstande, ganz nach Belieben mit uns zu verfahren, aber eins steht fest: Ich bin durchaus in der Lage, Frau Gogol mit meinem Besen den Schädel einzuschlagen.«
    Nanny nahm ihren unzerstörbaren Hut ab und tastete darin umher. Nach einer Weile holte sie einen Samtbeutel hervor und öffnete ihn. Er enthielt mehrere Nadeln und eine kleine Rolle mit Garn.
    Sie beleckte das Ende des Fadens und hielt eine Nadel vor den Halbmond.
    »Ach, Esme, Esme«, seufzte sie und begann zu nähen. »Das Gewinnen nimmst du sehr ernst.«
     
    Lily Wetterwachs sah in den vielschichtigen, silbrigen Kosmos.
    »Wo bin ich?«
    IM INNEREN DES SPIEGELS.
    »Bin ich tot?«
    DIE ANTWORT AUF DIESE FRAGE LIEGT IRGENDWO ZWISCHEN JA UND NEIN, antwortete Tod.
    Lily drehte sich, und Milliarden von Spiegelbildern drehten sich mit ihr.
    »Wann
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