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Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Titel: Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)
Autoren: Anna K.
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aufbewahren – und bei der Abreise gäbe es sie zurück. Versprochen.

Beste Grüße von der Direktion
    Unseren Chef Chef zu nennen, war insofern richtig, als Martin Köster tatsächlich formal der Geschäftsführer des Hotels war. Allerdings trat er in dieser Funktion nicht übermäßig oft in Erscheinung.
    Kösters Morgenritual: knapp grüßend um sechs Uhr ankommen, Abstecher in die Küche, Brötchen schmieren, Kaffee holen und dann Rückzug ins Back-Office am Ende des Gangs hinter der Rezeption. Gegen elf ließ er sich meist eine von einer von uns fein geschnittene Ananas oder eine geschälte Orange bringen.
    Manchmal fragten wir uns, was er den ganzen Tag in seinem Büro zu tun hatte, außer ein paar Gruppenbuchungen gab es eigentlich nicht viel Arbeit für ihn. Marketing und Werbung wurden von der Zentrale gemacht, da konnte er bestenfalls ein bisschen mitreden. Wir hatten auch fast keine Stammgäste, denen es wichtig war, vom Chef persönlich begrüßt zu werden. Und Streitfälle, in denen er zwischen Personal und Gästen schlichten musste, waren auch eher selten.
    Was tat er also von morgens bis abends? Er trug die Verantwortung für uns. Aber verhoben haben wird er sich daran nicht. Er wusste ja: Es läuft auch ohne ihn,
nur mit den Azubis. Sorgen, dass das Hotel nicht genug Umsatz machen würde, musste er sich auch nicht machen, er war ja Angestellter mit festem Gehalt, und die Besitzer, ein Berliner Ehepaar, denen die drei Häuser unserer Mini-Kette gehörten, forderten ihn offenbar auch nicht allzu sehr. Jedenfalls kündigten sie ihre seltenen Besuche immer so rechtzeitig an, dass wir in Ruhe gründlichst putzen konnten und noch genug Zeit blieb, die kaputte Spülmaschine reparieren zu lassen.
    Martin Köster war Mitte vierzig, hatte eine glatt gecremte goldbraune Haut und eine wogende Mähne blonder Locken, die er sich alle paar Sekunden hinter die Ohren steckte. Er roch gut, das war mir gleich aufgefallen, und vor allem morgens waren wir von seiner Parfumwolke aus Chanel Antaeus vollkommen benommen. Seine Hemden waren perfekt gebügelt, die Nägel gefeilt und die Schuhe auf Hochglanz poliert. Die Gäste mochten ihn, er brachte sie zum Lachen, er stellte ihnen Fragen, und wenn er wollte, sah er dabei sogar ernsthaft interessiert aus. Und wer zweimal mit ihm gelacht hatte, den duzte er.
    Leider hatte es sich Köster zur Angewohnheit gemacht, sich schon am Vormittag das ein oder andere Gläschen zu gönnen. So viel Chanel konnte er gar nicht verwenden, dass man das nicht gerochen hätte. Wenn er zu viel getrunken hatte, streunte er durchs Hotel und legte jedem Mitarbeiter, den er erwischen konnte, einen Arm um die Schultern und brabbelte ihm ins Ohr. »Annaannaannaanna.« Besten Dank.
    Wenn er nicht trank, war das der Stimmung im Hotel
auch nicht unbedingt zuträglich, denn dann neigte er dazu, cholerisch zu werden und den nächstbesten Mitarbeiter anzubrüllen. Katja versuchte stets, ihn bis zu seinem ersten morgendlichen Ausraster zu meiden. Danach war er tatsächlich meist erträglicher. Ich hielt mich in dieser Sache ganz an sie.
    Köster zog auch gerne mal los, um einen Einkaufsbummel zu machen. »Ich bin mal kurz weg«, sagte er dann und blieb nicht nur kurz, sondern oft für Stunden verschwunden. Wenn er zurückkam, trug er schwer an riesigen Einkaufstüten von Karstadt oder seine Haare waren frisch frisiert. Wenn er überhaupt am selben Tag wiederkam.
    Was ich wirklich hasste, waren die Sonntage, an denen seine Freunde kamen: Dann wurden wir verpflichtet, für fünfzehn bis zwanzig seiner Leute einen Riesenbrunch zu veranstalten. Es gab Champagner für alle.
    Natürlich nicht für uns. Abkassieren mussten wir bei diesen Veranstaltungen auch nie. Uns Azubis war es unter Strafe verboten, Freunde oder Verwandte mitzubringen. Wer jemanden abholen wollte, musste vor der Tür warten.
    Martin Köster war auch definitiv kein Chef, auf den man sich, wenn es brenzlig wurde, verlassen konnte. Sara wusste das besonders gut. In unserem zweiten Lehrjahr hatte sie Silvester Spätdienst an der Rezeption. Sie war, wie so oft, alleine, und es näherte sich langsam Mitternacht. Vielleicht kam es gerade vom romantischen Essen auf dem Ku’damm und wollte jetzt alleine auf dem Zimmer anstoßen, vielleicht hatte auch nur das Flugzeug Verspätung
gehabt, auf jeden Fall kam um halb zwölf noch ein Gästepärchen zum Check-in. Erwartungsvolle Blicke, Vorfreude, vielleicht ein bisschen Genervtsein, dass sie jetzt noch
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