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Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Titel: Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)
Autoren: Anna K.
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einen Block malte.
    »Hat dich Frau Bock nicht gerade …?«, fragte sie verwundert.
    »Doch.« Ich verzichtete auf eine Erklärung.
    »Okay«, sagte das Mädchen und lächelte, »ich bringe dich hin.«
    Als ich schließlich in der Frühstücksküche stand, kommentierte Frau Bock meine Ankunft mit einem Stirnrunzeln, zeigte mir, wo ich meine Tasche und meinen Mantel ablegen konnte, und erklärte in knappen Worten meinen ersten Job: Tische abräumen. Draußen im Frühstücksraum saßen die Gäste und frühstückten, und ich sollte das dreckige Geschirr und Besteck in die kleine Küche tragen. Ich sollte ihr zuschauen und es dann einfach genauso machen.
    Da waren sie also, meine ersten Gäste. Ich näherte mich den besetzten Tischen vorsichtig mit meinem Tablett und fragte jedes Mal, ob ich denn schon etwas mitnehmen könnte. Nicht immer bekam ich darauf eine Antwort.
    Meine Hände waren noch steif von der winterlichen Kälte, und natürlich dachte ich, dass mir etwas herunterfallen würde, aber zu meiner eigenen Überraschung geschah das nicht. Ich packte das Tablett nicht so voll wie Frau Bock, die einen ganzen Tisch mit einem Gang abräumen konnte. Ich ging sicher drei oder vier Mal, aber das schien ihr nicht zu missfallen. Gegen Ende der Schicht hatte ich fast den Eindruck, als lächele sie mir
einmal zu, was aber auch eine Fehlinterpretation ihrer Mimik gewesen sein konnte. Vielleicht hatte sie auch nur einem Gast zugelächelt, das war wahrscheinlicher.
    Ich räumte ab, bis auch der letzte Gast gefrühstückt hatte. Gesprochen wurde an diesem ersten Tag fast nichts mehr. Als alle Teller gespült waren – damals dachte ich noch, die Geschirrspülmaschine sei ausnahmsweise kaputt  –, sagte mir Frau Bock: »Gut, danke. Das war’s für heute. Aber kommen Sie morgen doch bitte pünktlich.« Ich verzichtete darauf, die Sache erneut aufzuklären, nickte stattdessen und verabschiedete mich.
    Es war noch früh, erst zwei Uhr mittags, als ich wieder zu Hause war, aber ich war todmüde von dieser ersten Schicht. Meine Füße taten schrecklich weh und mein Rücken auch. Ich stellte fest, dass ich um diese Uhrzeit niemanden, aber auch wirklich niemanden aus meinem Freundeskreis hätte treffen können, um von meinem ersten Tag zu erzählen. Die meisten waren jetzt in der Uni oder im Büro. Facebook gab es damals noch nicht. Also saß ich in meinem Wohnzimmer, hörte Musik, rauchte ein paar Marlboro Menthol und schaute dem Stundenzeiger zu, bis er die Fünf erreicht hatte. Dann rief ich meine Mutter an, die sich einigermaßen interessiert meinen Erlebnisbericht anhörte. »Sei morgen pünktlich«, sagte sie am Ende, und mir kamen Zweifel, ob sie mir richtig zugehört hatte.
    Als ich an diesem Tag ins Bett ging, stellte ich den Wecker auf halb vier. Das tat weh, und ich ahnte, wie weh es erst tun würde, ihm am nächsten Tag auch gehorchen zu müssen.
    Viele Frauen, die sich für einen Job im Hotel entscheiden, tun dies, weil sie sagen: Ich will etwas von der Welt sehen! Fremde Sprachen sprechen! Und natürlich, der Klassiker: was mit Menschen machen!
    Mich bewegte nichts von alledem. Nach dem Abitur wusste ich erst mal nicht, was ich machen sollte. Psychologie studieren – das hätte mir vielleicht gefallen. (Aber ich sah mich nie wirklich als Studentin.) Ich bildete mir ein, dass ich mich besonders gut in andere Menschen hineinversetzen konnte. Mein kleiner Bruder, vierzehn Jahre nach mir geboren, war kein einfaches Kind, und in den Jahren vor meinem Auszug war ich oft die Einzige, die ihn bändigen konnte. Sein Vater, der nicht derselbe Mann ist wie mein Vater, lebte nicht bei uns. Mein Vater war ausgezogen, als ich sechs Jahre alt war. Wir waren also erst zu zweit und dann eine Weile zu dritt – meine Mutter, mein Bruder und ich.
    Ich jobbte damals in einem Sonnenstudio, durchblätterte tonnenweise Frauenmagazine und fachsimpelte über Bräunungsstufen und die Auswirkungen von UV-Strahlen auf gefärbtes Haar. Bald wurde klar, dass ich einen richtigen Beruf brauchte. Ich wohnte nicht mehr zu Hause, seit meine Mutter und ich ein Jahr vor meinem Abitur beschlossen hatten, unsere Wohnung sei zu eng für uns drei und dass es unsere Beziehung nur verbessern könne, wenn wir uns nicht mehr jeden Tag auf der Pelle hocken. Meine Mutter fand eine schöne Wohnung für mich, siebzig Quadratmeter, Altbau, nur einen Steinwurf entfernt. Damals war ich siebzehn.
    Meinem Abischnitt hat es wahrscheinlich nicht gutgetan,
als Einzige
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