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Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Titel: Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)
Autoren: Anna K.
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fand, das höre sich irgendwie wichtig an. In den ersten Wochen im Housekeeping putzte ich die Zimmer selbst, zusammen mit unseren beiden Reinigern, Mehmet und Wolfgang. Später war ich nur noch dafür zuständig, die Arbeit der
beiden zu überprüfen und ihnen notfalls hinterherzuputzen. Das war ein Privileg. Von Mitschülerinnen in der Berufsschule wusste ich, dass es Häuser gab, in denen ein ganzes Jahr lang erst mal nur geputzt wurde – jeden Tag. Und das waren nicht die kleinen Pensionen am Eck, das waren große Häuser mit vier und fünf Sternen.
    Mehmet und Wolfgang kamen aus der Türkei, und es sprach einiges dafür, dass Wolfgang wohl in Wahrheit ein bisschen anders hieß, aber für uns war er eben Wolfgang. Die beiden hatten Humor, aber weil ihr Deutsch nicht das allerbeste war, bewarfen wir uns in Ermangelung verbaler Späße einfach mit den Putzlappen.
    Die beiden waren nicht beim Hotel beschäftigt, sondern arbeiteten für eine Firma, die das Central unter Vertrag hatte. Dass sie nicht im Central angestellt waren, war für mich damals bedeutungslos. Sie waren nicht weniger angesehen in der Hackordnung des Hotels als wir Azubis. Wann immer die Arbeit es erlaubte, kamen sie mit uns zum Frühstücken in den Konferenzraum, und man hätte nicht sagen können, wer hier für wen arbeitete. Auch Dana machte da keinen Unterschied.
    Zu meinen täglichen Aufgaben gehörte es jetzt also, die Gästezimmer zu besichtigen, nachdem Mehmet oder Wolfgang darin gewischt, gesaugt und gefegt hatten.
    Auch bei den Zimmern gab es einen festen Rhythmus  – wie beim Frühstücksbuffet war es ratsam, ihn nicht zu verändern, um nichts zu vergessen. Als Allererstes kamen alle dreckigen Sachen vor die Tür: Bettlaken, Handtücher, Müll. Geputzt wurde dann meist erst das Bad, Toilette, Waschbecken, Dusche, kein Wasserfleck
durfte zurückbleiben und kein Krümel Toilettenpapier. Schlimmeres natürlich auch nicht. Einseifen, Schrubben, Polieren. Dann die Betten. Die frischen Laken mögen für den Gast eine Wohltat sein – ich habe sie verflucht. Bretthart kamen sie aus der Wäscherei zurück, gestärkt, als solle man damit jemanden erschlagen können. Sie auseinanderzuziehen erforderte viel Kraft, die man spätestens nach sechs Zimmern eigentlich nicht mehr hatte. Als Nächstes legte man Fernbedienung und Zeitschriften ordentlich hin, die Fernsehzeitung mit dem aktuellen Datum aufgeschlagen nach oben. Der Kugelschreiber kam auf die Mappe zum Hotel, Aufschrift nach oben, man sollte ja lesen, wo man sich befand, auch auf dem Stift.
    Ich war als Kind mit meiner Mutter viel gereist. Wir hatten zwar nicht viel Geld und in Luxushotels verirrten wir uns auch nicht, aber ihr war es wichtig, uns möglichst viel von der Welt zu zeigen. Ganz gleich, in welchem Hotel oder in welcher Pension wir unterkamen, sie legte Wert darauf, alles ordentlich zu hinterlassen. Kein Gedanke, einfach mal das Bett nicht zu machen, weil es ja gleich eh vom Zimmermädchen gemacht werden würde, oder mal den Müll neben den Eimer zu werfen, weil er ja ohnehin eingesammelt werden würde, bevor die nächsten Gäste kamen. Auch wenn ich längst ungeduldig an der Tür stand, um endlich zum Strand zu kommen, musste ich noch mein Laken gerade ziehen und das Nachthemd zusammenlegen.
    Ich stellte fest, dass die Gäste des Central mehrheitlich eine andere Erziehung genossen hatten. Welcher Grad
der Verwüstung innerhalb nur eines Abends und einer Nacht zu erreichen war, erstaunte mich immer wieder.
    Die Toiletten waren natürlich auch hier ein Problem, sicher, aber da würde ich später noch ganz andere Dinge erleben als die dreckigen Klobrillen im Central.
    Es war auch nicht so, dass wir Rockstars zu Gast hatten, die die Spiegel einschlugen oder den Fernseher aus dem Fenster warfen. Unsere Gäste waren ganz gewöhnliche Leute, mittleres Management auf Dienstreise, ältere Ehepaare, Familien mit Kindern.
    Das Schlimmste war von Anfang an die Luft. Oder sagen wir: die Abwesenheit von Luft, frischer Luft. Alle Hotelzimmer, selbst die kleinen, haben Fenster. Fenster haben in der Regel Griffe. Die kann man drehen, zumindest als Erwachsener. Wenn der Griff senkrecht nach oben steht, kann man das Fenster kippen, das ist meistens so. Vielleicht verrate ich damit ein wirklich gut gehütetes Geheimnis: Fenster lassen sich öffnen! Wenn man sie öffnet, kommt Luft herein, Sauerstoff, Frischluft. Nach einer gut durchgeschlafenen Nacht, der Morgenverdauung zweier Erwachsener und
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