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Topkapi

Topkapi

Titel: Topkapi
Autoren: Eric Ambler
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war etwas verbogen, aber die Gläser waren noch ganz. Als ich sie aufsetzte, sah ich seine Schuhsohlen einen Meter vor meinem Gesicht.
    Er saß im Sessel, zurückgelehnt, und beobachtete mich.
    »Stehen Sie auf«, sagte er, »und passen Sie mit dem Blut auf, daß nichts auf den Teppich kommt.«
    Als ich wieder auf die Füße kam, stand er schnell auf. Ich glaubte, er würde wieder auf mich einschlagen. Statt dessen packte er mich am Revers.
    »Haben Sie einen Revolver?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Er tastete meine Taschen ab, wohl um sicherzugehen, und gab mir dann einen Stoß.
    »Im Bad sind Papiertaschentücher«, sagte er. »Waschen Sie sich das Gesicht. Lassen Sie die Tür auf.«
    Ich tat wie befohlen. Das Bad hatte ein Fenster; aber selbst wenn ich hätte fliehen können, ohne mir den Hals zu brechen, hätte ich es wohl nicht versucht. Wohin sollte ich auch fliehen? Wenn er den Nachtportier gerufen hätte, wäre die Polizei innerhalb von fünf Minuten dagewesen. Die Tatsache, daß er nicht bereits telefoniert hatte, war immerhin schon etwas. Vielleicht wollte er als Ausländer nicht in eine Strafsache verwickelt werden. Schließlich hatte er keinen Verlust erlitten; und wenn ich ordentlich in Reue machte, vielleicht auch ein wenig heulte, bestand die Möglichkeit, daß er die Sache laufenließ; besonders, nachdem er mich so brutal zusammengeschlagen hatte. So etwa liefen meine Überlegungen.
    Ich hätte es besser wissen müssen. Von einem Mann wie Harper kann man keinen Anstand erwarten.
    Als ich aus dem Bad kam, sah ich, daß er das Scheckheft aufhob und in den Koffer zurücksteckte. Die Schecks, die ich herausgerissen hatte, lagen auf dem Bett. Er nahm sie und bedeutete mir, ins Wohnzimmer zu kommen.
    Er ließ mich vorangehen und schloß die Tür hinter mir ab. An der Wand war eine Kommode mit einer Marmorplatte. Darauf stand ein Tablett mit einem Eiskübel, einer Brandyflasche und Gläsern. Er nahm ein Glas und blickte mich an.
    »Setzen Sie sich hierher«, sagte er.
    Der Stuhl, auf den er wies, stand vor einem Schreibtisch am Fenster. Meine Nase blutete noch immer, und ich hatte Kopfschmerzen.
    Er kippte etwas Schnaps in ein Glas und stellte es auf den Tisch neben mir. Ein paar Sekunden lang faßte ich wieder Mut. Vielleicht entwickelte sich ein Gespräch von Mann zu Mann, und ich konnte ihm eine zu Herzen gehende Geschichte erzählen, während er ob seiner eigenen Großmut feuchte Augen bekam und mir noch eine Chance zu geben beschloß. Lange glaubte ich das nicht.
    Er goß sich ein Glas ein und warf mir dann einen Blick zu, als er langsam einen Eiswürfel hineinfallen ließ.
    »Das erstemal, daß Sie dabei erwischt werden, Arthur?«
    Ich schneuzte mich vorsichtig, um das Blut in Fluß zu halten, ehe ich antwortete. »Das ist das erstemal, daß ich in Versuchung geraten bin, Sir. Ich weiß nicht, was es war, vielleicht der Schnaps, den ich mit Ihnen trank. Ich bin nicht daran gewöhnt.«
    Er drehte sich um und starrte mich an. Sein altersloses Gesicht war plötzlich weiß und verkniffen, und sein Mund zuckte ganz eigentümlich. Ich kenne solche Gesichter, und ich machte mich auf alles gefaßt. Auf dem Schreibtisch neben mir stand eine Lampe mit Metallsockel. Ich überlegte mir, ob ich ihn damit vielleicht niederschlagen konnte, ehe er bei mir war.
    Aber er bewegte sich nicht. Er blickte mit flackernden Augen auf die Tür zum Schlafzimmer und dann wieder auf mich.
    »Etwas wollen wir doch lieber klarstellen, Arthur«, sagte er langsam. »Das eben war nur ein kleiner Vorgeschmack. Wenn ich ernst mache, dann verlassen Sie das Zimmer auf der Tragbahre. Ich kam in mein Zimmer und erwischte Sie beim Stehlen. Sie griffen mich an, und ich mußte mich verteidigen. So wird das aussehen. Also schenken Sie sich die Lügen. Klar?«
    »Tut mir leid, Sir.«
    »Leeren Sie Ihre Taschen. Auf den Tisch dort.«
    Ich tat wie befohlen.
    Er sah sich alles an, meinen Führerschein, meine Aufenthaltserlaubnis. Natürlich fand er auch den Dietrich im Geldbeutel. Ich hatte den Stiel abgesägt und einen kleinen Schlitz hineingemacht, so daß ich ihn mit einer Münze umdrehen konnte, aber er war immer noch gut fünf Zentimeter lang und schwer. Das Gewicht war verräterisch. Neugierig betrachtete er ihn.
    »Haben Sie den selbst gemacht?«
    »Den Schlüssel nicht. Ich habe ihn nur abgeschnitten.« Jetzt noch zu lügen, erschien mir sinnlos.
    Er nickte. »Schon besser. Okay, fangen wir nochmals von vorn an. Fest steht, daß Sie als
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