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Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)

Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)

Titel: Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)
Autoren: A. G. Stoll
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Gustav, es ist ein Auftrag. Lass sie für dich arbeiten, dafür ist sie alt genug.«
    Die Frau legte das Stöckchen unter Kates Kinn und drückte es hoch, bis sie ihr in die Augen sehen musste.
    Blau waren sie und durchsichtig, als wären sie aus Glas. Sie blies Kate ihren Atem ins Gesicht und es roch köstlich nach Gebäck.
    Die Frau lachte, ein fröhliches, freundliches Lachen und Kate wurde es ein wenig leichter ums Herz.
    »Sie sieht widerspenstig aus. Gewöhn ihr das ab.«
    Der Mann verbeugte sich.
    »Ihr Name, Madame? Ihre Amme sagte, sie habe sie Kate genannt. Bleibt es dabei?«, fragte er.
    »Braucht sie einen? Ach, nenne sie, wie du willst«, antwortete Madame leichthin.
    Sie beugte sich zu Kate herunter und erklärte: »Ich sehe, du interessierst dich für den Fächer. Vermutlich hast du nie zuvor einen gesehen.«
    Sie nahm den Stock von ihrem Kinn fort und mit einem Schnippen des Handgelenks wurde ein Halbkreis daraus. Ein Bild war darauf, in leuchtenden Farben, von Frauen in bunten Kleidern, Pferden und Hunden.
    Kate hätte zu gern untersucht, wie die Frau das Kunststück bewerkstelligt hatte, doch wagte sie nicht, nach dem Wunderding zu greifen.
    »Man kann auch andere Dinge damit anstellen. Zum Beispiel zu neugierige Kinder bestrafen«, sagte die wunderschöne Dame und lächelte, als mache sie einen Scherz.
    Schnell verschwand das Bild und verwandelte sich wieder zu einem Stock. Er zischte durch die Luft.
    Bevor Kate wusste, wie ihr geschah, trafen sie zwei Schläge im Gesicht. Dann packte Madame eine ihrer Zopfschleifen und schleuderte sie in die Richtung des Mannes.
    Feuchtigkeit breitete sich zwischen Kates Beinen aus, lief bis auf den Boden, ohne dass sie es zu verhindern vermochte. Sie schämte sich entsetzlich.
    Die Frau schnaubte und befahl: »Schaff sie weg, Gustav. Sie ruiniert mir den Teppich.«
    Während der Mann sie fortzerrte, presste Kate die Hände auf die schmerzenden Wangen, zu verängstigt und verwirrt, um zu weinen.
     
    Sie bekam tatsächlich ein Bett, wie Tante Eula es versprochen hatte, und sogar ein eigenes Zimmer.
    Der Raum war klein und kahl. Außer dem Bettgestell, einer lumpigen Matratze und kratzigen Wolldecken gab es einen Stuhl, der knarrte, wenn sie sich auf ihn setzte. Das einzige Fenster war dreieckig, schmutzig und viel zu hoch um hinauszuschauen. Ganz oben im Dachboden lag ihr Zimmer, weit entfernt von allen anderen bewohnten Räumen.
    Morgens rissen gruselige Geräusche Kate aus dem Schlaf und sie traute sich kaum, den Nachttopf zu benutzen. Bis Master Gustav endlich kam, versteckte sie sich unter den Decken. Er erklärte ihr, das Kratzen stamme nicht von Ungeheuern, sondern von Krähen, die im unbenutzten Kaminschacht Nester bauten.
    Schnell verstand Kate: Sie durfte nur wenige Bereiche des riesigen, verschachtelten Hauses betreten. Teile des ersten Stocks bewohnte Master Gustav. Der vordere, untere Flügel des Gebäudes war Madames Reich. Diesem nur nahe zu kommen, wäre denkbar unvorsichtig gewesen, denn Madame mochte keine Kinder. Im Erdgeschoss gab es auch die große Küche, die zum Hinterhof hinausging.
    Kate hasste die Küche. Master Gustav zwang sie, dort jeden Morgen einen Löffel Lebertran zu schlucken und einen Becher Milch zu trinken. So sehr sie sich zu Beginn sträubte, er drückte ihr den Mund auf, flößte ihr das ekelhafte Zeug ein und ließ nicht los, bis sie es hinuntergewürgt hatte.
    Master Gustav war streng. Nie lächelte er oder sprach ein nettes Wort mit ihr.
    Was ihr geschah, wenn sie ihn richtig zornig machte, erfuhr sie am vierten Tag, nachdem er sie an diesen schrecklichen Ort gebracht hatte.
    Da nahm sie allen Mut zusammen, verließ ihr Zimmerchen, schlich die Treppen hinab und rüttelte an der verschlossenen Haustür. Sie bemerkte Master Gustavs Auftauchen erst, als er hinter ihr stand und zu wissen verlangte, was sie da treibe. Lange brauchte es nicht und sie offenbarte ihm, sie suche den Weg zu Tante Eula.
    Dabei hatte er ihr strengstens verboten, sich auch nur in die Nähe der Außentüren zu wagen.
    Er packte sie an ihrem Kleid und fauchte: »Weißt du, was mit Kindern geschieht, die nicht gehorchen?«
    Schniefend schüttelte sie den Kopf.
    Er beugte sich zu ihr herunter und flüsterte: »Sie werden im Loch eingesperrt. Dort gibt es Ratten, so groß wie Hunde. Die beißen erst in die Knöchel und nagen dann nach und nach die Füße, ja, sogar die Beine bis auf die Knochen ab.«
    Sie weinte und jammerte, doch Master Gustav blieb
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