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Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)

Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)

Titel: Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)
Autoren: A. G. Stoll
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unerbittlich und schleppte sie in den Keller. Mit einer Lampe in der Hand zerrte er sie einen dunklen Gang entlang und öffnete eine Tür. Kurz leuchtete er in die Finsternis dahinter und setzte sie auf einen Hocker. Mit einem Knall flog die Tür zu und Kate hörte, wie er den Riegel vorschob. Stockdunkel war es. Angsterfüllt balancierte sie auf dem wackeligen Sitz und versuchte, die Füße möglichst lange in der Luft zu behalten. Immer wieder musste sie auftippen, um nicht umzufallen. Jedes Mal befürchtete sie, eine der Riesenratten würde die Gelegenheit nutzen und sie anfallen. Sie weinte nicht mehr, konzentrierte sich nur aufs Überleben. Es kam ihr ewig vor, als Master Gustav sie endlich erlöste.
    Er musterte sie und knurrte: »Lass dir das eine Lehre sein und gehorche.«
    Kates Kleidung klebte verschwitzt an ihr. Plötzlich schmerzte der Bauch, dass ihr erneut die Tränen kamen. Master Gustav brachte sie in ihr Zimmer und befahl ihr, sich ins Bett zu legen und darüber nachzudenken, wie sich ein gehorsames Kind verhält.
    Noch lange zitterte sie am ganzen Körper und sie verstand endgültig: Tante Eula hatte sie belogen, so sehr man einen Menschen zu belügen vermochte.
    An diesem Ort gab es nichts, worüber man sich freuen konnte.
    Dafür um so mehr, vor dem sie sich in acht nehmen oder fürchten musste.
    Und als wären diese Schrecken nicht genug, gab es hier ein Ungeheuer wie Madame.

3. Madames Experimente
    Kate war höchstens sieben Jahre alt, als Madame sie das erste Mal zwang, eine harmlos aussehende, kleine Kugel zu schlucken.
    In der Nacht wachte sie von schrecklichen Schmerzen auf. Es fühlte sich an, als bohre ein Messer in ihrem Bauch herum. Sosehr sie bettelte und schrie, niemand kam.
    In hohem Bogen erbrach sie sich über ihre Decke. Kein Gedanke, nach dem Holzeimer zu greifen, den ihr Master Gustav hingestellt hatte. Rechtzeitig den Nachttopf zu erreichen, schaffte sie auch nicht mehr. Sie kroch aus dem Bett und krümmte sich auf den abgewetzten Bodendielen zusammen. Kot, Urin und Erbrochenes klebten an ihr. Sie jammerte nach Tante Eula, die sie in diese Welt verstoßen hatte. Kate versprach ihr, schwor, immer gehorsam und gut zu sein, wenn sie nur von ihr gerettet würde.
    Statt ihrer kam irgendwann Master Gustav und flößte ihr warmen Tee ein. Er zog ihr die verschmutzten Sachen aus und wusch sie ab. Dann wickelte er sie in trockene Decken ein und legte sie auf das halbwegs saubere Laken.
    Weiteren Trost gab es keinen von ihm.
     
    Master Gustav war ein strenger Lehrer, doch strafte er nicht ohne Grund.
    Madame war anders. Sie war gefährlich und gemein.
    Kate war sich lange Zeit sicher, sie würde ihr deshalb Dinge verabreichen, die sie krank machten.
    Bauchkrämpfe und Übelkeit waren meist nur der Anfang, dann folgten häufig Kopfschmerzen und ein Fieber, dass sie glaubte, verglühen zu müssen. Manchmal dauerte es Tage, bis es ihr besser ging. Madame stand bei allem mit glitzernden Augen an Kates Bett, fühlte ihren Puls und untersuchte ihren Körper.
    Vermochte Kate aufzustehen, musste sie in Madames Arbeitszimmer kommen, wo diese Notizen zur Krankheit machte. Kate fragte sich, was sie wohl damit anfing.
    Einmal, als sie ungefähr zehn Jahre alt war, sammelte Kate ihren ganzen Mut und weigerte sich, eine der Giftpillen hinunterzuschlucken. Sie biss die Zähne fest zusammen und schwor sich, den Mund nicht aufzumachen.
    Mit unbewegtem Gesicht legte Madame das Kügelchen auf den Tisch vor sich und zog an der Klingelschnur, mit der sie Master Gustav rief. Als er kam, zeigte sie auf die Pille und sagte: »Sorge dafür, dass sie dieses Theater nie wieder veranstaltet.«
    Master Gustav wusste sehr gut, wie er dies bewerkstelligen konnte.
    Er schleppte Kate in den Keller, um sie in das Loch zu sperren.
    Kate fürchtete die Dunkelheit mehr als alles andere. Bevor er die Tür hinter ihr schloss, versprach sie, in Zukunft stets zu tun, was Madame verlangte.
    Ihre Herrin schmunzelte, als sie ihr kurz danach die Pille auf die Zunge legte.
    »Zur Strafe sollte ich dich mit Rattenkot füttern. Nun, aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Zur Not kann ich den guten Gustav darum bitten«, drohte Madame und kniff Kate so fest in beide Wangen, dass diese noch Tage später schmerzten.

4. Heimlichkeiten
    Kirchenglocken! Das bedeutete, es war allerhöchste Zeit aufzustehen.
    Nach Gustavs Ankündigung, das Haus schon früh morgens verlassen zu wollen, hatte Kate die Chance genutzt und länger geschlafen.
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