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Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen

Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen

Titel: Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen
Autoren: Barry Eisler
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Wie immer, wenn ich sie mir richtig bewusst vorstelle, mich den messerscharfen Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit hingebe. Doch dieses Foto, das mir praktisch eine Momentaufnahme von dem Leben bot, das sie eine ganze Welt entfernt führte, verstärkte die Reaktion noch. Ich hatte Mühe, mir nichts anmerken zu lassen.
    »Sie ist... verheiratet?«, fragte ich, während widerstreitende Emotionen in mir tobten.
    »Nein. Nicht verheiratet.«
    »Dann ... «
    Ich blickte ihn an. Er nickte und lächelte, und in seinen Augen lag ein tiefes und seltsam sanftes Mitgefühl.
    Meine für den Kampf so ungemein fein geschliffenen Instinkte können in Liebesdingen geradezu lächerlich nutzlos sein. Das Hämmern in meiner Brust verstärkte sich, weil mein Körper bereits begriff, was sich meinem Verstand noch entzog. Ich schaute weg, damit er mein Gesicht nicht sah.
    Ich musste an unsere letzte gemeinsame Nacht in einem Zimmer im Park Hyatt in Tokio vor nicht ganz zwei Jahren denken. Wir hatten uns leidenschaftlich geliebt, obwohl Midori gerade erst erfahren hatte, wer ich war und was ich ihrem Vater angetan hatte; obwohl uns beiden klar war, dass es das letzte Mal sein würde; obwohl wir wussten, zu welchem Preis.
    Ich wusste beim besten Willen nicht, was ich sagen sollte. Ich glaube, irgendwann brachte ich »Mein Gott« heraus.
    Ich versuchte, mich zusammenzureißen, aber es wollte mir nicht richtig gelingen. Schließlich jedoch konnte ich auf eine Art operative Grundeinstellung zurückgreifen. Ich hörte mich fragen: »Wer hat die Fotos gemacht? Ihr?«
    Nach kurzem Zögern sagte er: »Nein. Yamaotos Leute.«
    Ich sah ihn an. Mein Gesichtsausdruck war wieder neutral. Der Gedanke an Yamaoto half mir, mich zu konzentrieren. Er brachte mich zurück auf vertrauten Boden.
    »Wieso?«
    »Sie ist die einzige bekannte Verbindung zu dir in der zivilen Welt. Yamaoto lässt sie aus der Ferne beobachten, für den Fall, dass du wieder in ihrem Leben auftauchen solltest.«
    »Der Scheißkerl sollte eine Antiaggressionstherapie machen.«
    »Du hast ihm zwei Niederlagen beigebracht. Erst hast du ihm damals die CD-ROM vor der Nase weggeschnappt. Und dann hast du seine rechte Hand, Murakami, ins Jenseits befördert. Er ist ein eitler Mann mit einem langen Gedächtnis.«
    »Ist sie ... sind die beiden in Gefahr?«
    »Ich glaube nicht. Er interessiert sich nur für sie, um über sie an dich ranzukommen."
    "Woher hast du die Fotos?«
    »Sie wurden bei einer Durchsuchung der Habseligkeiten von einem Mitarbeiter Yamaotos gefunden."
    "Von oben abgesegnet?« Er schüttelte den Kopf. »Nicht direkt.«
    »Dann weiß der fragliche Mitarbeiter also unter Umständen gar nicht, dass die Fotos nicht mehr da sind.«
    »Ich kann dir garantieren, dass er es nicht weiß. Meine Männer haben die Bilder von seiner Digitalkamera heruntergeladen, aber sie ansonsten nicht angetastet. Er kann nicht wissen, dass seine Sachen durchsucht wurden. Yamaoto kann unmöglich wissen, dass du Bescheid weißt über die Existenz ... deines Sohnes.«
    Den letzten Worten haftete eine seltsame Stofflichkeit an. Sie schienen fast greifbar in der Luft zu hängen.
    Ein Sohn, dachte ich. Es ergab keinen Sinn. Mein Vater hatte einen Sohn. Aber ich doch nicht. »Es ist... es ist ein Junge?«, fragte ich.
    Er nickte. »Ich habe ein paar diskrete Nachforschungen angestellt. Sie nennt ihn Koichiro. Ko-chan.«
    »Woher weißt du ... woher willst du überhaupt mit Sicherheit wissen, dass er von mir ist?«
    Er zuckte die Achseln. »Er sieht aus wie du, findest du nicht?«
    Damit würde ich gar nicht erst anfangen. Ich war völlig durcheinander und merkte, dass ich irgendwie leicht unter Schock stand.
    »Warum hast du mir die Fotos gezeigt?«, fragte ich, und mir war, als würde ich blind herumtasten, um mich schlagen. Ich dachte: Weil ich mich doch schon damit abgefunden hatte. Es war vorbei, sie hätte auch tot und begraben sein können, ich war doch dabei, mich mit meinen Erinnerungen zu trösten.
    Dich zu quälen, meinst du.
    »Hätte ich sie dir lieber nicht zeigen sollen?«, fragte er.
    »Wo ist der Unterschied? Selbst wenn ich wollte, selbst wenn sie wollte, ich könnte keinen Kontakt zu ihr aufnehmen, solange Yamaoto sie beobachtet.«
    Ich stockte und spürte Wut in mir aufsteigen. Ich sah ihn an und sagte: »Genau deshalb hast du es mir erzählt.«
    Er zuckte die Achseln. »Zugegeben, ein paar von meinen Motiven waren eigennützig. Andere nicht.
    Du weißt so gut wie ich, dass du eine
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