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Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Titel: Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag
Autoren: Barry Eisler
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hinunterbewegte. Er war groß für einen Japaner, was hilfreich war, aber er trug einen dunklen Anzug wie neunzig Prozent der anderen Leute in der Menge – Harry und mich natürlich eingeschlossen. Also konnte ich mich nicht allzu weit zurückfallen lassen.
    Als ich gerade wieder die richtige Distanz erreicht hatte, blieb er stehen, um sich eine Zigarette anzuzünden. Ich ging langsam weiter. Solange ich mich weiter mit der Menge bewegte, konnte er mich nicht entdecken. Ich blickte starr auf die Rücken der Anzüge vor mir, bloß ein gelangweilter morgendlicher Pendler. Einen Augenblick später drehte er sich um und ging weiter.
    Ich erlaubte mir den Anflug eines zufriedenen Lächelns. Japaner machen nicht Halt, um sich eine Zigarette anzuzünden, denn sonst würden sie im Laufe ihres Erwachsenenlebens ja Wochen verlieren. Außerdem hatte er keinen Grund gehabt – starken Gegenwind etwa, der das Streichholz hätte ausblasen können -, sich umzudrehen. Kawamuras offensichtlicher Versuch, einen Beschatter zu entdecken, bestätigte lediglich seine Schuld.
    Worin diese Schuld lag, wusste ich nicht. Ich frage auch nie danach. Ich stelle immer nur einige wenige Fragen. Ist die Zielperson ein Mann? Ich arbeite nicht gegen Frauen oder Kinder. Wurde noch jemand anders beauftragt, um das Problem zu lösen? Ich möchte nicht, dass meine Operation gefährdet wird, weil irgendwer meint, er müsse sicherheitshalber noch ein B-Team engagieren. Wenn man mich beauftragt, dann ausschließlich mich. Ist die Zielperson ein Hauptakteur? Ich löse Probleme direkt, wie der Soldat, der ich einmal war, und nicht, indem ich über unbeteiligte Dritte Botschaften sende wie ein Terrorist. Die Motivation für die letzte Frage ist auch der Grund dafür, dass ich auf unabhängigen Schuldbeweisen bestehe: Sie garantieren, dass die Zielperson tatsächlich der Hauptakteur ist und kein ahnungsloser Unschuldiger.
    In achtzehn Jahren habe ich zweimal einen Auftrag abgelehnt, weil solche Beweise fehlten. Im ersten Fall sollte ich auf den Bruder eines Zeitungsredakteurs angesetzt werden, der Artikel über die Korruption im Heimatbezirk eines bestimmten Politikers veröffentlichte. Das andere Mal ging es um den Vater eines neu bestallten Bankchefs, der Umfang und Art der notleidenden Kredite seines Instituts übertrieben genau unter die Lupe nahm. Ich wäre bereit gewesen, gegen den Redakteur und gegen den Banker tätig zu werden, wenn man mich beauftragt hätte, aber anscheinend hatten die fraglichen Klienten Grund, einen umständlicheren Weg einzuschlagen, der mich in die Irre führen sollte. Selbstverständlich sind sie keine Klienten mehr. Absolut nicht.
    Ich bin kein Söldner, obwohl ich genau das vor vielen Jahren war. Und auch wenn ich in gewisser Weise ein dienendes Leben führe, bin ich auch kein Samurai mehr. Samurai zu sein bedeutet nicht bloß Dienen, sondern es bedeutet auch Treue zum Herrn, zu etwas, was größer ist als man selbst. Es gab eine Zeit, da brannte ich förmlich vor Treue, eine Zeit, in der ich so durchdrungen von der Samurai-Ethik war, die ich als Junge in Japan aus Unterhaltungsromanen und Comics aufgesogen hatte, dass ich bereit war, für meinen selbst erwählten Lehnsherrn, die Vereinigten Staaten, zu sterben. Aber eine so unkritische und unerwiderte Liebe kann nicht von Dauer sein und findet meist ein dramatisches Ende. Genau so kam es. Heute bin ich Realist.
    Als ich zum 109 kam, sagte ich: «Wir gehen weiter.» Nicht in mein Revers hinein oder sonst irgendwie auffällig – die Sender sind so empfindlich, dass selbst vorsichtige Bewegungen, die für jedes geschulte Gegenüberwachungsteam die Wirkung einer Leuchtreklame hätten, überflüssig sind. Nicht dass da draußen eins gewesen wäre, aber man muss stets vom Schlimmsten ausgehen. Harry würde wissen, dass ich ihn passierte, und sich gleich darauf in Bewegung setzen.
    Die Beliebtheit von Handys mit Ohrhörern hat unsere Arbeit erheblich erleichtert. Früher war jemand, der allein unterwegs war und leise vor sich hin sprach, entweder schwachsinnig oder ein Geheimdienstler oder ein Sicherheitsbeamter. Heutzutage ist ein solches Verhalten in Japans Keitei -Generation, der Handy-Generation, gang und gäbe.
    Die Ampel am Ende der Dogenzaka war rot, und die Menschenmenge verlangsamte sich, als wir uns dem Bahnhof näherten, vor dem sich fünf Straßen kreuzten. Schrille Neonreklamen und riesige Videomonitore zuckten hektisch an den Gebäuden um uns herum. Ein
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