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Töwerland brennt

Töwerland brennt

Titel: Töwerland brennt
Autoren: J Zweyer
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vor, dem Mann zukünftig etwas freundlicher zu begegnen. Denn dass
Dombrowski über kurz oder lang wieder in seiner Dienstelle auftauchen und
irgendein Fundstück vom Strand präsentieren würde, stand für ihn unwiderruflich
fest.

47
    Gutes Zureden half nicht, sondern führte nur zu lautstarkem
Protest. Die verklausulierte Androhung väterlicher Disziplinarmaßnahmen verstärkte
das Geschrei lediglich. Selbst der ansonsten recht probate Appell an das
kindliche Mitgefühl: »Die Krabbe hat doch auch Mama und Papa und die sind
traurig, wenn ihr Kind …«, blieb
ebenfalls ohne jeden Erfolg. Zu faszinierend war das Krabbeltier. Also griff
Rainer zum Äußersten: Bestechung.
    Erst nach einer großen Portion Eis und dem halbstündigen Spiel
›Seepferdchen-Galopp‹, das Oskar kurz zuvor erfunden hatte und bei dem Rainer
selbstverständlich das Pferd und sein Sohn den Reiter mimte, war der Kleine
dazu zu bewegen, die Krabbe in die Freiheit zu entlassen.
    Danach war er wie sein Vater völlig geschafft. Ersterer vom Kommandieren
und Fersen-in-die-Seite-treten, Letzterer vom Galoppieren. Nur musste Rainer seinen Sohn noch von der etwa drei
Kilometer entfernten Wilhelmshöhe
zurück zum Hotel tragen, da Oskar sich zunächst weigerte, auch nur noch einen
Schritt zu gehen, kurz darauf noch dazu tief und fest eingeschlafen war und wie
ein Sack auf Rainers Rücken hing.
    Kinder sind manchmal kleine Tyrannen, resümierte Rainer, als er sich
endlich schwitzend und nach Luft japsend den Dünenaufgang zum Kurhaus
hochquälte.
    Nachdem er Oskar seiner ebenfalls
schlafenden Mutter in den Arm gelegt hatte, fiel Rainer wie ein Stein neben den
beiden ins Bett und versank in einen tiefen Nachmittagsschlaf.
    Elke war alles andere als begeistert, als ihr Rainer nach dem
Abendessen mitteilte, er wolle kurz nachsehen, ob sich Tohmeier auf der Dünenwind aufhielte. In einer halben Stunde sei er zurück.
Versprochen.
    Der Jachthafen wurde von der untergehenden Sonne in malerische
Farben getaucht. Die Boote schaukelten im Wind. Vereinzelte Spaziergänger waren
unterwegs, um den Anblick vom Seezeichen aus zu genießen.
    Rainer war der Sonnenuntergang völlig egal. Er hatte einen Plan. Und
dieser war, wie alle seine Pläne, von bestechender Schlichtheit. Er wollte über
die Schwimmstege zum Boot gehen, einen Blick hineinwerfen und dann wieder
verschwinden. Was er täte, wenn sich Tohmeier tatsächlich an Bord befinden
sollte, wusste er nicht. Aber ihm würde bestimmt etwas einfallen. Hoffte er
zumindest.
    Erst als er am Jachthafen angekommen war, bemerkte er, dass der Zugang
zu den Schiffen durch ein Stahltor gesichert war. Selbst wenn das Tor nicht
verschlossen war, konnte es nicht verborgen bleiben, wenn sich ein Unbefugter
auf den Stegen herumtrieb. Der Hafenmeister saß in seinem Büro nur wenige
Schritte entfernt und Esch hatte keine Lust, bohrende Fragen nach seinen
Absichten zu beantworten.
    Der Vorteil einfacher Pläne ist, dass sie schnell modifizierbar
sind, dachte Rainer. Also setzte er sich auf eine der Bänke und wartete.
Glücklicherweise dauerte es nicht lange, bis sich eine Gruppe näherte, die
Rainer für Segler hielt. Und tatsächlich steuerten sie das Tor an.
    Rainer sprang auf, grüßte freundlich und durchquerte kurz hinter den
zwei Paaren den Eingang. Für einen nicht allzu aufmerksamen Beobachter sah es
so aus, als ob er zu der Gruppe gehörte und lediglich den Anschluss verloren
hatte.
    Nach wenigen Metern bogen die vier Segler vor ihm auf dem ersten
Steg nach Osten ab. Rainer schlenderte so unbefangen wie möglich weiter und
betrat dann den Anlegesteg, an dem die Dünenwind festgemacht hatte. Es war kurz vor neun Uhr.
    Auf dem Deck befand sich keine Menschenseele. Rainer sah sich um.
Niemand schien sich für seine Anwesenheit zu interessieren, also zögerte er
nicht lange und sprang auf das Boot. Der Kahn schaukelte bedrohlich, und Rainer
musste sich am Mast festhalten, um nicht zu stürzen.
    Als er sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, machte er zwei vorsichtige
Schritte zu der kleinen Treppe, die unter Deck führte.
    »Herr Tohmeier?«, rief er hinunter. »Könnte ich Sie einen Moment sprechen?«
    Er bekam keine Antwort. Versuchsweise drückte Rainer auf die Klinke
der Tür zur Kajüte. Sie war nicht abgeschlossen und schwang auf. Rainer
überlegte. Bis jetzt hatte er sich – eine etwas eigenwillige
Interpretation der einschlägigen Gesetze vorausgesetzt – noch nichts zuschulden
kommen lassen. Betrat er jedoch
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