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Töwerland brennt

Töwerland brennt

Titel: Töwerland brennt
Autoren: J Zweyer
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Wochen früher …
    Ohne Terminvereinbarung war Gerrit Harms in der
Anwaltssozietät Schlüter und Esch erschienen und
hatte verlangt, Rainer Esch zu sprechen. Er könne warten, hatte Harms gemeint,
nachdem ihn Martina Spremberg darauf aufmerksam gemacht hatte, dass ihr Chef
vermutlich bis zum Mittag vor Gericht beschäftigt sei. Tatsächlich kehrte Rainer an diesem Montag erst in den frühen
Nachmittagsstunden in die Kanzlei zurück.
    »Wahrscheinlich ein neuer Mandant«, raunte ihm Martina zu, als
Rainer ihr die Akten auf den Schreibtisch packte. »Er wartet schon seit Stunden.
Muss wichtig sein.« Die junge Frau war nicht nur die einzige Angestellte der
Kanzlei Schlüter und Esch , sondern erhielt auch, ganz
im Gegensatz zu den beiden Anwälten, regelmäßig ihr Gehalt. Obwohl die
Anwaltssozietät seit Jahren in der Herner Innenstadt residierte, fehlte es
immer noch an lukrativen Mandaten. Und so lebten Rainer Esch und Elke Schlüter
in manchen Monaten nur knapp über Hartz-IV-Niveau.
    Rainer, der sich auf den Feierabend gefreut hatte, seufzte. »Gib mir
eine Zigarettenlänge Zeit. Dann kümmere ich mich um den Mandanten.«
    Kurz darauf saß Gerrit Harms dem Anwalt gegenüber. »Mein Anliegen
wird Sie vermutlich etwas überraschen.« Harms sprach mit norddeutschem Akzent.
    »Ich möchte nicht Ihre Dienste als Anwalt in Anspruch nehmen,
sondern Sie stattdessen als, sagen wir, Detektiv
engagieren.«
    Rainer zog die Augenbrauen hoch.
    »Ich werde es Ihnen erklären. Können Sie sich eigentlich an mich erinnern?«
    Der Anwalt schüttelte den Kopf.
    »Wir sind uns vor einigen Jahren auf Juist begegnet. Sie waren im
Auftrag eines Bodenspekulanten unterwegs und wollten mich zum Verkauf eines
unserer Grundstücke überreden.«
    Rainer musterte den Mann genauer. Etwa Mitte dreißig, schlank, fast hager, blondes, mittellanges Haar. Natürlich
hatte er das Mandat nicht vergessen, welches ihn damals auf die Nordseeinsel geführt
hatte. Sein Gegenüber jedoch … Trotzdem erwiderte er zögernd: »Jetzt, wo Sie es
sagen …«
    Harms lachte. »Ich sehe Ihnen an, dass Sie nicht die geringste
Ahnung haben, wer ich bin. Macht nichts.« Er wurde wieder ernst. »Sie haben
immer noch einen guten Ruf auf unserer Insel. Deshalb habe ich auch sofort an
Sie gedacht, als der erste Erpresserbrief bei uns eintraf.«
    Rainers Interesse war geweckt. »Sie werden erpresst?«
    »Ja. Meiner Familie gehört seit drei Generationen ein Hotel auf
Juist, das Sanddornhotel im Ostdorf. Aber lassen Sie
mich von Beginn an erzählen.«
    Rainer lehnte sich in seinem Stuhl zurück und hörte aufmerksam zu.
    »Sicher kennen Sie das alte Hotel Bracht in der Wilhelmstraße.«
    »Den Ziegelbau in der Nähe des Kurplatzes? Ich dachte, der Kasten
sollte abgerissen werden.«
    »Das wurde er auch. Vorher jedoch war dort ein Brand gelegt worden. Das ist jetzt etwa ein Jahr her. Kurz
darauf kam der erste Brief.« Harms zog aus seiner Jackentasche mehrere
zusammengefaltete Blätter hervor. Bevor er eines davon zu Rainer
herüberreichte, strich er die Papiere mit dem Handrücken sorgfältig glatt.
    »Bitte.«
    Auf dem Blatt standen lediglich sechs kurze Zeilen, augenscheinlich
mit einem Computer gedruckt. Rainer las:
    Einst kam ein Mädchen nach Töwerland
    Sie war nur einem gut bekannt
    Aber sie blieb nicht lange dort
    Bald musste sie schon wieder fort
    Verstoßen von jemand mit harter Hand.
    Darunter war in fetter Schrift zu lesen: Töwerland
brennt.
    Der Anwalt gab kopfschüttelnd das Papier zurück. »Das ist alles?«
    »Ja.«
    »Hört sich an wie ein schlechter Limerick, oder?«, meinte Esch.
»Nicht gerade das, was ich mir unter einem Erpresserbrief vorstelle.«
    »Eben. Deshalb habe ich das Schreiben ja auch nicht ernst genommen,
trotz des Feuers im Bracht. Dann aber kam der Brand
in dem Schuppen, in dem wir im Winter Liegen, Strandkörbe und Sonnenschirme
lagern. Es war eindeutig Brandstiftung, meinte der Sachverständige der
Feuerwehr. Und kurz danach erreichte uns das zweite Schreiben.« Er schob ein
weiteres Blatt zu dem Juristen hinüber.
    Darauf stand:
    Kein Vater, dann auch keine Mutter mehr
    Und nachts, da wird das Herz so schwer
    Alleingelassen auf dieser Welt
    Das geringste Übel: ohne Geld
    Die Erlösung liegt am Meer.
    Und wieder als Unterschrift: Töwerland
brennt.
    »Dichterisch auch nicht gerade eine Glanzleistung, wenn ich das so
sagen darf.« Rainer grinste. »Leider kann ich immer noch nicht so recht
erkennen, worin denn nun die Bedrohung
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