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Tödliches Orakel

Tödliches Orakel

Titel: Tödliches Orakel
Autoren: Tina Sabalat
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Schneider.«
    »Nein, leider nicht. Wir haben diverse Möglichkeiten durchgespielt, und bislang waren alle ... letal.«
    »Für Sie?«
    »Meist für meinen Kunden.«
    »Dann wählen Sie eine der Möglichkeiten, die Sie überleben lässt.«
    Sam machte eine sehr rüde Finger-Geste in Richtung des Telefons, ich schwieg, bis Olegs Stimme wieder erklang, diesmal angespannt.
    »Wie soll ich Ihr Schweigen deuten? Bedroht Sie dieser Kunde in irgendeiner Art und Weise?«
    Sam bedrohte mein Alleinsein, aber das war schon alles. Ich mochte mein Alleinsein, aber Sam auch. Und damit musste ich ein simples 'Nein' auf Olegs Frage antworten.
    Mein russischer Freund schwieg für einen Moment. »Dann liegt Ihnen etwas an diesem Herrn?«
    Jetzt schwieg ich, geduldig belauscht von Oleg, aufmerksam beobachtet von Sam.
    »Ja«, antwortete ich dann.
    »Nun gut«, sagte Oleg, während Sams Gesicht von einem strahlenden Lächeln aufgehellt wurde.
    »Das ist das Netteste, was du jemals gesagt hast«, sagte Sam, ich hielt das Mikrofon des Telefons zu.
    »Ich habe nur 'Ja' gesagt«, erwiderte ich, Sam winkte ab.
    »Auf bestimmte Fragen ist das die einzige richtige Antwort«, sagte er, ich wandte mich wieder Oleg zu.
    »Tut mir leid, da bin ich wieder. Dieser Kunde ist etwas anstrengend. Wo waren wir?«
    »Wem schadet die Datei«, half mir Oleg, ich nickte.
    »Genau. Sie schadet dem Auftraggeber. Demjenigen, der die Morde anordnet. Den ich nicht kenne.« Ich zögerte. »Und es ist wahrscheinlich, dass es sich bei diesem Auftraggeber um das Regime in Weißrussland handelt. Um einen Diktator oder einen seiner Apparatschiks.«
    »Ganz richtig«, sagte Oleg. »Und wie froh bin ich, dass es diese Spezies bei uns nur noch in ganz dunklen, moderigen Ecken gibt. Hier ist zwar auch noch nicht alles Gold, was glänzt, aber immerhin glänzt es schon hier und da.«
    »Was nützt mir dieses Wissen? Ich kann ja wohl kaum zum weißrussischen Präsidenten gehen und ihm sagen, er und seine Killer sollen mich in Ruhe lassen.«
    »Nein. Wahrscheinlich nicht.«
    »Können Sie das für mich tun?«
    »Nun ... ja, ich könnte für sie vorsprechen. Nicht direkt ganz oben, aber weit genug oben. Aber ich glaube nicht, dass das von Erfolg gekrönt wäre. Bei solchen Dingen geht es um Geben und Nehmen. Wenn ich Schulden einzutreiben hätte – ja, dann gewiss. Glauben Sie mir, ich würde nicht zögern. Aber ich habe keine. Und wenn ich welche machen muss und später nicht zurückzahlen kann, bringt mich das in Schwierigkeiten, gegen die Ihre Probleme lächerlich sind. Verzeihen Sie diesen Ausdruck.«
    »Ich soll umgebracht werden, das ist nicht lächerlich.«
    »Und noch einmal: doch, das ist es. Im Vergleich zu dem, was die mir antun würden, ist es lächerlich. Ich werde Ihnen erklären warum. Schauen Sie ... Es gibt Männer wie mich. Frauen auch, gewiss, aber mehr Männer. Wir sind reich. Wir sind hart. Wir haben Beziehungen. Aber eins haben wir nicht.«
    »Nämlich?«
    »Polizei. Gerichte. Richter. Gefängnisse.«
    »Oleg, Sie haben die Polizei. Das habe ich gesehen.«
    Ich hörte ihn leise lachen. »Ja, sicher. Hier. Aber die hundert Kilometer weiter, die gehört jemand anderem. Und sie alle gehören am Ende immer noch dem, der sie erschaffen hat. Und der kann etwas tun, was ich nicht kann. Noch nicht. Er kann mich fertig machen und sagen, dass das alles so seine Richtigkeit hat. Und wenn er das tut, dann bin ich tot. Ich habe einen Fernsehsender, er hat ein Dutzend. Ich habe eine Zeitung, er hat zwei Dutzend. Er sitzt am längeren Hebel. Er gewinnt.«
    »Sie meinen wieder den Staat«, sagte ich.
    »Ja. Sie enteignen mich. Ich lande im Gefängnis, wo ich nicht alt werden würde. Meine Frau ebenso. Meine Kinder würden in alle Winde verstreut. Ich habe eine Mutter, eine Tante. Sippenhaft ist in unseren Teil der Welt noch nicht unüblich.«
    »Und Ihre Geliebten müssten sich Ihre Zobelmäntelchen besser einteilen und die dritte Nasen-OP verschieben?«
    »Auch das wäre tragisch. Aber Sie verstehen, was ich sagen will. Ja, ich könnte für Sie in Weißrussland intervenieren. Aber ich würde mich bei einem höchst kapriziösen Regime verschulden. Sehr hoch verschulden. Und wenn ich zahlen muss, aber nicht kann, dann bin ich nicht nur tot. Dann schneiden die mich in Stücke und jeden, der mich jemals gekannt hat.«
    »Aber Oleg, wie sollte Weißrussland Ihnen etwas antun können? Sie sind russischer Staatsbürger. Weißrussland hat in Russland doch keine
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