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Tödliches Farbenspiel

Tödliches Farbenspiel

Titel: Tödliches Farbenspiel
Autoren: Marcia Muller
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doch...‹«
    Ich lächelte schwach. Hank imitierte
Greg Marcus nicht schlecht. Aber als ich ihn ansah, sah ich echte Traurigkeit
in seinen Augen. Er hatte wirklich Mitgefühl für seine Mandanten und belastete
sich allzuoft persönlich mit ihren Kümmernissen und Problemen. Es würde ihm
schwerfallen, Jakes Frau die schlimme Nachricht zu überbringen, aber ehe er die
Aufgabe auf einen unpersönlichen Polizeibeamten abwälzte, übernahm er sie dann
lieber doch selbst.
    »Weißt du, was mir zu schaffen macht?«
fragte ich.
    »Was?«
    »Dieses Verbrechen ist so sinnlos! Wer
kann ein Interesse daran gehabt haben, Jake zu töten?«
    »Vielleicht wurde er von einem
Einbrecher umgebracht.«
    »Was gab’s in dem Haus zu stehlen?«
    »Stimmt. Dann vielleicht ein
Zerstörungswütiger. Hier in der Gegend gibt’s viel Vandalismus.«
    »So einer hätte sich doch nicht die
Mühe gemacht, einen Unfall vorzutäuschen.«
    »Einen Unfall?«
    Ich erläuterte es Hank kurz, berichtete
von der Leiter und dem umgestoßenen Farbeimer. »Verstehst du, er wurde
vorsätzlich getötet, und dann wollte der Täter das vertuschen. Dafür spricht
auch, daß er sagte, er habe Angst, als er mich anrief.«
    Der Wirt streckte den grauen Kopf aus
der Küchentür, und Hank bestellte eine zweite Runde. Mit routinierten
Bewegungen schenkte der Mann ein und als er uns die Gläser hinstellte, sagte
er: »Sie waren noch nie hier.«
    »Stimmt«, antwortete ich. »Wir sind zum
erstenmal hier.«
    »Dachte ich mir. Ich hab ‘n gutes
Gedächtnis für Gesichter. Kommen allerdings auch nicht allzu viele Weiße zu
mir.« Ich sah ihn aufmerksam an, um festzustellen, ob das eine Warnung sein
sollte, aber die dunklen Züge waren freundlich gleichgültig. Die Arme auf der
Brust verschränkt, lehnte er sich an die Wand hinter der Bar.
    »Sind Sie der Wirt hier?« fragte ich.
    »Richtig. Johnny Hart ist mein Name.«
    »Ich bin Sharon McCone, und das ist
Hank Zahn. Sind Sie schon lange hier?«
    »Im Oktober werden’s zehn Jahre.«
    »Und Sie haben wohl größtenteils Gäste
aus der Nachbarschaft?«
    »Größtenteils.«
    »Sagen Sie, sollen die leerstehenden
viktorianischen Häuser auf dem Hügel oberhalb der Steiner Street restauriert
werden?«
    »Soweit ich gehört hab, ja.«
    »Wem gehört das große Haus an der Ecke?
Das mit dem Turm.«
    »Den selben Leuten wie alle anderen
Häuser. Wintringham und Partner heißt die Firma.«
    »Und die kaufen alte Häuser auf und
sanieren sie?«
    »Ja. Sie donnern sie richtig auf und
verkaufen sie dann sündteuer an weiße Akademiker und Geschäftsleute.« Er
grinste spöttisch.
    »Und wie haben diese Leute es
geschafft, gleich einen ganzen Häuserblock an sich zu bringen?«
    »Wintringham — David heißt er mit
Vornamen — hat die Häuser geerbt. Sein Vater war Architekt und hat nach dem
Krieg im Baugeschäft einen Haufen Geld gemacht. Er hat die Reihenhäuser in den
neuen Wohnsiedlungen gebaut. Die waren damals hochmodern. Aber er selbst hat
immer hier gewohnt, in dem großen Haus an der Ecke, und mit der Zeit hat er
alles hier in der Straße aufgekauft. Und als er starb, erbte sein Sohn.«
    »Das große Haus war also sozusagen der
Familiensitz?«
    »So könnte man’s nennen. Warum wär’ er
sonst geblieben? Er hätte ja überall hinziehen können.«
    Ich nahm einen Schluck von meinem
Whisky.
    »Bekommt man denn in dieser Gegend so
viel für ein Haus, selbst wenn es renoviert ist?«
    »Na klar. Sie sollten mal die Leute
sehen, die hier kaufen. Schwule wie Wintringham, aufstrebende junge Familien,
reiche weiße Rechtsanwälte.« Harts Stimme troff vor Verachtung.
    Hank, der neben mir saß, hob mit einem
Ruck den Kopf. »Was hat er denn?« fragte Johnny Hart.
    »Er ist ein weißer Rechtsanwalt, aber
nicht reich.«
    »Pech für ihn. He, Mann, das war doch
nicht persönlich gemeint. Das sind eben die Leute, die sich hier niederlassen.
Mir persönlich ist es völlig schnuppe, wer die Häuser kauft. Hauptsache mein
Laden läuft.«
    »Aber es ist bestimmt nicht allen
Leuten schnuppe«, bemerkte ich.
    »Nein, natürlich nicht. Die, die bisher
für billiges Geld in den runtergekommenen alten Kästen gehaust haben, werden
plötzlich rausgeschmissen und finden nichts anderes, das sie sich leisten
können. Plötzlich haben sie in dem Viertel, in dem sie groß geworden sind,
keinen Platz mehr. Sie können sich vorstellen, wie denen zumute ist.« Er
lächelte boshaft und beugte sich über den Tresen. »Aber vielleicht können Sie
sich’s
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