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Tödliches Farbenspiel

Tödliches Farbenspiel

Titel: Tödliches Farbenspiel
Autoren: Marcia Muller
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müßte.«
    »Richtig.«
    »Und daß er eine Wand gestrichen hätte,
die gar nicht vorbereitet war.« Ich zeigte auf mehrere tiefe Sprünge im Mörtel.
»Und«, fügte ich hinzu, »daß er für eine Innenwand Fassadenfarbe verwendet
hätte.«
    »Genau.«
    »Lieber Gott.« Ich sah zu dem Toten
hinunter. »Dann wollte jemand einen Unfall vortäuschen.«
    »Jemand, der vom Malerhandwerk nicht
viel Ahnung hat.«
    »Aber warum?«
    Greg zuckte nur die Achseln und ging,
um mit einem der Beamten von der Spurensicherung zu sprechen.
    Ich starrte wie benommen zu Boden.
Überall lagen Mörtelbrocken, Tapetenfetzen und Sägemehl herum. Die Holztäfelung
und die Wandschränkchen mit den Bleiglasfenstern waren abgeschliffen zur
Neulackierung. In dem Durcheinander zu meinen Füßen lagen farbige Glasscherben
und eine verschnörkelte Lampenfassung aus Metall, aus der der Sockel einer
zerbrochenen Glühbirne hervorragte. Automatisch sah ich zu der Rosette an der
Decke hinauf. Es gab kein Anzeichen dafür, daß dort eine Lampe angebracht
gewesen war.
    Greg kam zurück. »Zeig mir, wo du mit
der Farbe in Berührung gekommen bist.«
    Ich wies auf eine Stelle, wo die
Oberfläche der Pfütze aufgerauht war.
    »Hast du sonst noch etwas angerührt?«
    »Die Wand und den Lichtschalter.«
    Er nickte kurz. »Das ist im Moment
alles, was ich von dir brauche, aber ich möchte heute abend noch deine Aussage
haben. Gleich hier um die Ecke ist eine Kneipe, die für diese Gegend
einigermaßen passabel ist und wo man sich nicht fürchten muß. Johnny’s
Kansas City Barbecue heißt sie. Warte dort auf mich, dann nehm’ ich dich
später mit aufs Präsidium.«
    »Gut. Hank kann mir Gesellschaft
leisten.«
    Greg ging wieder zu seinen Leuten
hinüber und stieß dabei die kleine Lampenfassung auf dem Boden zur Seite. Für
ihn hatte sie offensichtlich keinen Wert. Ich bückte mich und steckte sie ein.
     
     
     

2
     
    Auf dem Schild im Fenster von Johnny’s
Kansas City Barbecue stand »Geöffnet«, aber an den Tischen mit den
Wachstuchdecken saßen keine Gäste. Ein großer Schwarzer mit grauem Haar kam
durch eine Schwingtür, im hinteren Teil des Lokals gelegen, als Hank und ich
eintraten, und wischte sich die Hände an seiner fleckigen weißen Schürze.
    »Die Küche ist geschlossen«, sagte er,
»aber zu trinken kriegen Sie noch was.«
    Hank warf mit einen fragenden Blick zu.
Ich nickte. Ein Whisky war jetzt genau das richtige. Wir kletterten auf die
Hocker mit den hohen Lehnen, und der Mann legte kleine Papiersets vor uns auf
den Tresen.
    »Was darf’s sein?«
    Hank bestellte einen Scotch on the
rocks, ich einen Bourbon. Der Schwarze schenkte ein und zog sich wieder zurück,
in die Küche vermutlich.
    Hank hob sein Glas. »Zur Erinnerung an
einen feinen Kerl.« Ich stieß mit ihm an und trank, von Melancholie übermannt.
»Jake war wirklich ein feiner Kerl.«
    »Er war ein richtiger Handwerker der
alten Schule. Und ein Künstler dazu. Ich weiß noch, wie er mir einmal
vorschlug, ein Farbkonzept für die Kooperative zu entwerfen. Er sagte damals,
Häuser müßten freundliche, menschenwürdige Behausungen sein, nicht düstere
Gefängnisse aus Holz und Stein.«
    Ich hätte zwar das große, braune
viktorianische Haus, in dem die Kooperative untergebracht war, nicht als
Gefängnis bezeichnet, aber es war zweifellos ein trister Bau, da hatte er
zweifellos recht.
    »Und warum bist du auf das Angebot
nicht eingegangen?« Hank zuckte die Achseln. »War finanziell nicht drin.«
Extratouren waren nie »drin«. Eine juristische Kooperative, die ihre Honorare
nach einer gleitenden Skala berechnet, hat selten Barreserven.
    Ich sagte nichts.
    »Du warst doch eine Weile mit Jake
liiert, nicht?« fragte Hank nach einer Pause.
    »Ja. Nach der Trennung von meinem
Musiker unten im Süden. Jake war lieb und verständnisvoll...« Mir versagte die
Stimme. Um es zu vertuschen, nahm ich mein Glas und trank.
    »Etwas später hat er geheiratet, stimmt’s?«
    Ich nickte. »Ja, vor sechs Monaten.
Eine geschiedene Frau namens Judy Riggs. Sie hat zwei Kinder. Jake mochte
Kinder. Sie waren eine richtige nette Familie. Wer soll es ihr sagen?«
    »Du kennst die Frau nicht?«
    »Nur ganz flüchtig. Ich hatte Jake
selbst seit seiner Hochzeit nicht mehr gesehen.«
    »Hast du nicht gesagt, daß Greg uns
hier treffen will?«
    »Doch.«
    »Dann wird’s wahrscheinlich mich
treffen. Er kommt bestimmt gleich rein und sagt: ›Hör mal, Hank, da Jake dein
Mandant war, könntest du
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