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Tödlicher Schnappschuss

Tödlicher Schnappschuss

Titel: Tödlicher Schnappschuss
Autoren: Andreas Schmidt
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vor, und Ulbricht
     folgte ihr in ihre Wohnung. Es roch nach Mittagessen. Sie murmelte eine
     Entschuldigung und verschwand in der Küche, um den Herd abzuschalten.
     Auf verbranntes Essen habe sie keine Lust, bemerkte sie, während
     Ulbricht sich umblickte. An den Wänden vergilbte Tapeten mit
     Blumenmuster, das Mobiliar mehrere Jahrzehnte alt, aber sehr gut erhalten
     und sauber. Auf der Kommode im Flur eine blütenreine Spitzendecke,
     darauf eine Vase mit künstlichen Blumen. Von Staub keine Spur. Martha
     Hutmacher erschien im Flur, zog die Küchentür zu und führte
     ihren Gast in das Wohnzimmer. Auch hier beherrschten alte Möbel das
     Bild. Auf dem Sofa grausam gemusterte Überwürfe; an der Wand
     hinter dem Sofa das Ölgemälde eines Alpenpanoramas in einem
     wuchtigen Holzrahmen. Ulbricht sank auf das Sofa und spürte den
     angenehm harten Federkern, der anscheinend noch nie ein hüpfendes
     Kind ertragen hatte. Auf dem Tisch eine Brille, ein aufgeschlagenes
     Kreuzworträtselheft und eine Fernsehzeitung. Frau Hutmacher ließ
     sich auf dem Sessel nieder, legte die Hände auf die Armlehnen und
     blickte ihren Gast fragend an. »Ist etwas mit Herrn Vorberg?«
    »Kannten Sie ihn gut?«
    »Wir lebten einige
     Jahre gemeinsam in diesem Haus. Dies ist das Haus meiner Eltern, müssen
     Sie wissen.« Kurz huschte der Ansatz eines wehmütigen Lächelns über das faltige Gesicht der
     alten Dame. »Sie lebten in der Wohnung oben. Ich habe sie vermietet,
     um meinen Lebensunterhalt bestreiten zu können, das ist ja mit der
     staatlichen Rente kaum noch möglich. Und außerdem hasse ich es,
     alleine in einem so großen Haus zu wohnen. Also vermiete ich die
     Wohnung. Und Herr Vorberg wohnte seit zwei Jahren hier.«
    »Sie reden in der
     Vergangenheit«, stellte Ulbricht fest.
    »Sie haben damit
     angefangen.« Martha Hutmachers Verstand war wacher, als Ulbricht
     gedacht hatte, das musste er ihr lassen. Ihr Kopf ruckte hoch, darin
     nickte sie nachdenklich. Vielleicht täuschte sich Ulbricht, aber er
     glaubte, dass die Augen der alten Frau feucht schimmerten. »Ich bin
     keine zwanzig mehr«, murmelte sie und seufzte. »In meinem
     Leben habe ich schon so manchen Kriminalroman gelesen und viele Krimis im
     Fernsehen geschaut. Halten Sie mich also nicht für dumm - Sie sind
     hier, um mich über den Tod meines Mieters zu unterrichten, habe ich
     recht?« Ihre Hände wischten über den Stoff der Armlehnen.
     Sie zupfte nach imaginären Flusen, während sie Ulbricht mit
     versteinerter Miene anblickte.
    »Leider haben Sie
     recht, ja.« Nun war es raus, und Ulbricht musste sich eingestehen,
     dass er es sich schwerer vorgestellt hatte. »Christian Vorberg wurde
     ermordet. Auf der Burg Polle, um genau zu sein.« 
    Wieder ein nachdenkliches
     Nicken, ihr Blick glitt ins Leere, doch sie schwieg. Das einzige Geräusch
     im Raum war das Ticken der alten Wanduhr mit dem hochglanzlackierten
     Nussbaumgehäuse. Die goldenen Pendel schwangen gleichmäßig
     nach links und rechts.
    »Ich habe es gewusst -
     irgendwie«, brach Frau Hutmacher das Schweigen.
    »Warum?« Ulbricht
     richtete sich im Sofa auf und blickte die alte Dame aufmerksam an. Er
     legte die Fingerspitzen beider Hände aneinander, das tat er immer,
     wenn er angestrengt nachdachte und keine Zigarette rauchen durfte oder
     wollte.
    Jetzt hätte er gern
     geraucht, doch erstens befand er sich in einer fremden Wohnung, und
     zweitens war er gerade dabei, sich das verdammte Rauchen abzugewöhnen.
    »Er war ein seltsamer
     junger Mann, lebte nur für die Fotografie.«
    »Was ist daran seltsam?«
    »Nun, das Fotografieren
     war weitaus mehr als nur sein Hobby. Er war ein Kauz, lebte hier sehr zurückgezogen.
     Ich glaube, er hatte auch nicht viele Freunde.« Dann lachte sie
     humorlos auf. »Nur die Frauen. Die kamen zu ihm.«
    »Hatte er wechselnde
     Partnerinnen?«
    »Das kann man wohl
     sagen.« Die alte Dame nickte. »Manchmal ging es im Haus zu wie
     im Taubenschlag. Ich habe ihn mir mehrmals zur Brust genommen und ihm
     gesagt, dass ich das nicht möchte. Was sollen denn die Leute denken?
     Das kommt doch alles auf mich zurück. Und ich will nicht, dass man
     mir nachsagt, ich würde ein Freudenhaus betreiben.« Sie schüttelte
     das ergraute Haupt. »Er hätte sich doch einmal für eine
     der Damen entscheiden können - so jung war er doch auch nicht mehr.«
    »Können Sie sich
     an die Damen erinnern, ich meine, gibt es Namen und Adressen, die Sie mir
    
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