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Tödlicher Schnappschuss

Tödlicher Schnappschuss

Titel: Tödlicher Schnappschuss
Autoren: Andreas Schmidt
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den nahezu wolkenlosen Himmel. Es schien, als hätte er
     Patina angesetzt, dachte Ulbricht und fragte sich, welche Funktion wohl
     das klobige Gebäude unweit der Kirche hatte. Ein Schild am Straßenrand
     verriet ihm, dass es sich um den alten Getreidespeicher handeln musste.
     Nachdem er die Weser, die hier die Grenze zwischen Nordrhein-Westfalen und
     Niedersachsen bildete, überquert hatte, fand er einen freien
     Parkplatz am Johannismarkt. Von hier aus legte er den Rest des Weges zu Fuß
     zurück. Da er sich nicht auskannte, musste er mehrmals nach dem Weg
     fragen. Für die Schönheiten der Weserstadt hatte er keinen
     Blick. Das Jagdfieber hatte ihn längst gepackt. Er war auf der Suche
     nach einer heißen Spur, die ihn zum Mörder des Fotografen führte.
     In einem Studio hatte Christian Vorberg offenbar nicht gearbeitet, denn
     seine Wohnung lag in einem Fachwerkhaus, das auf den ersten Blick keine
     Geschäftsräume aufwies. Die Adresse hatte Ulbricht mitgehört,
     als Hauptkommissar Grundmann die Brieftasche des Toten geöffnet
     hatte, um seine Identität festzustellen. Dieser Grundmann war ein
     seltsamer Typ. Aber er war so dumm gewesen, die Adresse des Toten laut
     genug zu verkünden, dass er es hatte mithören können. Der
     Umstand, dass man bei Vorberg keinen Schlüssel gefunden hatte, machte
     ihn stutzig. Viele Menschen trugen ihre Schlüssel an einem Bund.
     Auto-, Postfach- und Wohnungsschlüssel waren oft eine Einheit. Und da
     der Wagen nicht entwendet worden war, hatte sich Ulbricht der Verdacht
     aufgedrängt, dass man es auf Vorbergs Bleibe abgesehen hatte. Grund
     genug für ihn, sich die Wohnung des Toten einmal anzusehen.        
    Es gab zwei Klingelschilder
     am Eingang, eins trug die Aufschrift Ch. Vorberg, das andere Hans
     Hutmacher. Er wunderte sich über den Namen und dachte unwillkürlich
     an einen Werbespot, den er aus dem Fernsehen kannte.
    »In jedem siebten Ei,
     ist ein Hans Hutmacher mit dabei«, murmelte er grinsend. Da die
     Wahrscheinlichkeit, dass ihm Christian Vorberg die Türe öffnen würde,
     äußerst gering war, legte Ulbricht den Daumen auf den
     Klingelknopf von Hans Hutmacher. Es dauerte einen Moment lang, dann ertönte
     ein Summer, und der Kommissar stemmte sich gegen die Tür. Er fand
     sich in einem schummrigen Treppenhaus wieder, das halbhoch mit Holz vertäfelt
     war. Eine schmale Holztreppe führte nach oben; die Teppichfliesen auf den Stufen waren abgewetzt und hätten
     längst erneuert werden müssen. Rechts an der Wand verbeulte
     Briefkästen aus Blech, dann eine Tür mit Milchglasscheiben,
     hinter denen Licht brannte. Die Tür wurde geöffnet und eine alte
     Frau, bekleidet mit einer geblümten Schürze, trat in den Flur
     und musterte ihn misstrauisch. Die ergrauten Haare hatte sie hinter dem
     Kopf zu einem Knoten zusammengebunden. Eilig trocknete sie sich die
     faltigen Hände an einem karierten Geschirrtuch ab. Ulbricht
     vermutete, dass Hans Hutmacher nicht mehr lebte, und die Witwe hatte das
     Namensschild ihres Mannes an der Klingel belassen, um finstere Gestalten
     nicht darauf aufmerksam zu machen, dass hier eine alte, alleinstehende
     Frau lebte.
    »Was wollen Sie?«,
     krächzte sie. Ulbricht schätzte sie auf knapp neunzig Jahre.
    »Sind Sie Frau
     Hutmacher?«
    »Martha Hutmacher, ja.
     Wer will das wissen und was geht Sie das an?«
    Er lächelte verbindlich.
     Bei ihr hatte er keine Chance.
    Also die offizielle
     Vorstellung, durchzuckte es ihn. Er zog seinen Dienstausweis heraus und
     hielt ihn der Alten so hin, dass sein Daumen auf dem NRW-Wappen lag.
     »Ulbricht ist mein Name, Kriminalpolizei.« Mit Zufriedenheit
     stellte Ulbricht fest, dass sich das Misstrauen der Alten in Entsetzen
     verwandelte. Sie schlug die Hände vor das Gesicht.
    »Mein Gott«, stieß
     die resolute Seniorin hervor. »Ist etwas passiert?«
    »Ich fürchte ja.«
     Ulbricht hasste es, Todesnachrichten zu überbringen. Doch es gehörte
     zu seinem Beruf, und er wusste nicht, in welchem Verhältnis Frau
     Hutmacher zu Christian Vorberg gestanden hatte. Vielleicht waren sie nur
     Nachbarn, womöglich hatte sie aber auch mehr
     miteinander verbunden. Ulbricht beschloss, sensibel zu sein, auch, wenn
     das nicht seine Stärke war. Er deutete auf die Wohnungstür.
    »Darf ich einen
     Augenblick hereinkommen?«
    Nicken, der Blick der Alten
     huschte unstet zwischen ihm und dem gekachelten Fußboden hin und
     her. »Kommen Sie.« Martha Hutmacher ging
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