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Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)

Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
Autoren: Andreas Franz , Daniel Holbe
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rechts ab und fahren Sie den Main entlang. Möglichst langsam, wenn der Verkehr es zulässt. Ich steige dann aus, sobald der Fahrpreis erreicht ist.«
    Der Fahrer seufzte und lenkte den Wagen nach rechts. Die Skyline war nun auch für ihn gut zu sehen, der gelbe Schein des Hochhauses der Commerzbank, die angestrahlte rot-weiße Antenne des Maintowers sowie unzählige Glasfenster, hinter denen zum Teil Licht brannte oder die fremdes Licht reflektierten.
    »Der Kunde ist König«, brummte er, »und wir haben ja immerhin die Zeit des Gebens, nicht wahr?«
    »Davon merkt man in meinem Job nicht viel«, erwiderte der Fahrgast kopfschüttelnd. »Bei uns gibt es nur dreihundertfünfundsechzig Tage des Nehmens, na ja, und alle vier Jahre sogar noch einen Tag mehr.«
    »Banker?«
    »Anlageberater.«
    »Hm«, nickte der Fahrer, »knapp daneben. Aber stimmt, ein Banker arbeitet wohl auch nicht mehr um diese Zeit.«
    »Kommt drauf an«, war die knappe Antwort, dann schwiegen die beiden wieder. Schließlich setzte der Fahrer den Blinker rechts und steuerte den Wagen so weit wie möglich an den rechten Fahrbahnrand, hielt aber noch nicht an.
    »Okay, wir müssten nun langsam zum Ende kommen. Ich würde mich, um ehrlich zu sein, doch lieber an den Hauptbahnhof stellen.«
    »Schon gut, wie steht das Taxameter?«
    »Sechs fünfzehn. Aber egal. Ich habe ja gesagt, Sie können ein Stück länger mitkommen.« Der Fahrer lächelte und drehte den Kopf nach hinten.
    »Also fünf achtundachtzig bitte.«
    Sein Fahrgast nestelte in den Taschen seines Mantels herum und brachte eine zerknitterte Fünfeuronote zum Vorschein, außerdem ein paar goldene und kupferfarbene Münzen.
    »Fünf, fünf zwanzig, vierzig …« Die Zählschritte wurden immer kleiner, bis es nur noch Centstücke waren, die der Mann abzählte. Die Ärmel seines Mantels waren abgewetzt, das fiel dem Taxifahrer erst jetzt auf, das Hemd war zerknittert, und auch der Schal wirkte abgetragen. Das kantige Gesicht mit den dunklen Augenbrauen und den tiefen Stirnfalten war unrasiert.
    »Siebenundachtzig, Mist, einer ist mir wohl runtergefallen.«
    »Macht doch nichts, der findet sich schon. Und wenn nicht, bleibt’s ein Glückspfennig. Oder Glückscent meinetwegen. Ist doch eine schöne Tradition.«
    »Wie Sie meinen«, erwiderte der Gast mit einem schmalen Lächeln, doch die Augen blieben trüb. Er machte eine Faust um das Geld und streckte sie dem Taxifahrer entgegen. »Hier, bitte. Und danke fürs Mitnehmen.«
    »Gerne. Und sehen Sie zu, dass Sie ins Warme kommen!«

    Der Fahrgast verharrte einen Augenblick, nachdem er die schwere Tür des Mercedes schwungvoll ins Schloss geschlagen hatte. Fröstelnd schlug er seinen Kragen hoch und verschränkte die Arme. Ein kalter Windstoß fuhr ihm durch die Haare, während er den Blick über die Querstraße und dann die Untermainbrücke entlangwandern ließ, an deren gegenüberliegendem Ende die eleganten Hotels und Geschäftshäuser lagen. Trotz der späten Uhrzeit, es war bereits Viertel nach drei, überquerten immer wieder Fahrzeuge den Main. Mit einem Schulterzucken setzte er sich in Bewegung, warf noch einen raschen Blick zurück, um sich zu vergewissern, ob das Taxi nicht bald verschwinden wollte. Doch der Fahrer schien es nicht allzu eilig zu haben.
    Er zählte die Schritte, bei dreißig hörte er auf und hob den Blick vom Asphalt des breiten Fußgängerstreifens nach oben. Selbst im Dunkel der Nacht – oder vielleicht sogar gerade dann – wirkten die fernen Fassaden gleichermaßen majestätisch wie beängstigend. Er versuchte, anhand der winzigen Fenster die Etagen zu zählen, wurde aber immer wieder durch die Lichtreflexe irritiert. Irgendwo dort oben jedenfalls war es gewesen, sein Büro. Geräumig, elegant, ein dunkler Schreibtisch im Kolonialstil, eine ebenso dunkle und mächtige Bücherwand, überall dazwischen teure Mitbringsel von verschiedenen Reisen: auf dem Boden der handgefertigte Teppich aus dem Nahen Osten, im Regal vor den Aktenordnern eine Schatulle aus Elfenbein, neben dem Tisch ein Lampenschirm aus Schlangenhaut und, ganz besonders apart, ein Haigebiss über der Tür. Er hatte aufgehört zu zählen, wie viele Kunden er damit vergrault hatte und wie viele Kommentare er lachend darüber im Kreis seiner Partner zum Besten gegeben hatte.
    Doch all das war nicht mehr wichtig, das Büro gehörte nun einem anderen, das Gebiss war wer weiß wo – vielleicht hing es ja sogar noch.
    Es war wie im Mittelalter: In den
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