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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung
Autoren: Anne Perry
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starrte.
    »Wir müssen feststellen, ob wir den Arzt auftreiben können«, sagte er laut.
    Sie sah ihn an. »Es wird ihm bestimmt nicht gefallen, wenn wir andeuten, dass wir eine Vergiftung vermuten! Damit würden wir nur sagen, dass er unfähig war, das vor zwanzig Jahren festzustellen. Selbst wenn es sich heute um einen anderen Arzt handelt, sie verteidigen einander immer.«
    »Das weiß ich! Haben Sie eine bessere Idee?«
    »Nein.« Sie saß eine Weile schweigend da. Die Sonne schien, und die Bäume und Wiesen waren endlich grün. Sie hätten meilenweit von London entfernt sein können. Sie kamen an mehreren Spaziergängern vorüber, Frauen in hellen Kleidern, deren Begleiter in ihren Grau und Brauntönen eher düster wirkten. Zwei Hunde jagten einander mit wildem Gebell.
    »Hester…«
    »Ja?«
    »Vielleicht sagen wir ihnen am besten die Wahrheit.«
    Sie setzte sich ein wenig aufrecht hin, was unbequem sein musste, da die Straße uneben war und die Kutsche unangenehm holperte.
    »Wie viel von der Wahrheit?«, fragte sie.
    »Ich weiß es nicht. Lassen Sie uns zuerst mal jemanden finden.«
    Sie näherten sich Parson’s Green und fuhren schweigend durch die Straßen, die sich jetzt, da der Vormittag bereits weit fortgeschritten war, immer mehr füllten. Sie überquerten die Putney Bridge. Der Fluss glitzerte in der Sonne.
    Auf der gegenüberliegenden Seite, auf der Putney High Street, stieg Monk aus und entlohnte den Fahrer mit einem großzügigen Trinkgeld, das genügte, um sich ein ordentliches Mittagessen zu leisten und auch etwas Futter für das Pferd zu kaufen. Es war eine ungewöhnlich lange Fahrt gewesen. Dann streckte er den Arm aus und half Hester aus dem Hansom.
    Als die Droschke sich entfernte, sahen sie einander an. Die Verlegenheit war verflogen. Sie hatten ein gemeinsames Ziel, und das war alles, was zählte.
    »Der Friedhof«, sagte Hester entschlossen. »Da finden wir am ehesten einen Hinweis auf seinen Tod. Von dort aus können wir dann weitermachen.
    Er stimmte ihr zu. »Welche Kirche?«
    »Wie bitte?« Darüber hatte sie gar nicht nachgedacht.
    »Welche Kirche? Wir sind auf dem Weg hierher an St.
    Mary’s vorbeigekommen. Es muss aber noch andere geben. Ich erinnere mich an eine Baptistenkirche auf der Wester Road, und dann ist da noch St. John’s auf Putney Hill. Das wären schon drei.«
    Sie fröstelte. »Je früher wir anfangen, desto besser. St. Mary ist am nächsten. Ich schlage vor, dass wir der Reihe nach vorgehen, es sei denn, Sie wissen, welcher Glaubensgemeinschaft Samuel angehörte, oder?«
    »Nein«, gab er mit einem schwachen Lächeln zu. »Aber ich würde wetten, dass Dorothys Glaube so orthodox ist wie nur möglich!«
    Sie brauchten den ganzen Vormittag, um höfliche Fragen zu stellen, zuerst in St. Mary’s, dann in der Baptistenkirche auf der Wester Road, in der Emanuel Church auf der Upper Road und - nach längerem Fußmarsch - in der Wesleyan Chapel gleich hinter dem Polizeirevier. Wenigstens blieb ihnen die Fahrt den Putney Hill hinauf nach St. John’s erspart. In der Wesleyan Chapel wies ihnen ein älterer Herr den Weg zu dem dazugehörigen Friedhof, und dort fanden sie einen schlichten Grabstein mit dem Namen Samuel Jackson, geliebter Ehemann von Dorothy, gestorben am 27. September 1839. Die Töchter wurden nicht erwähnt, aber das konnte ebenso gut aus finanziellen Gründen wie aus Taktgefühl heraus geschehen sein. Steinmetze kosteten Geld.
    Monk und Hester standen einige Minuten lang Seite an Seite in der strahlenden Sonne und dem kalten Wind. Es schien unpassend, etwas zu sagen, und überdies auch unnötig. Hester legte ganz sanft eine Hand auf Monks Arm, und ohne sie anzusehen, wusste er, was sie empfand.
    Nach einer Weile kam ein alter Mann mit einem Strauß Narzissen in der Hand über die Wiese und brach den Bann.
    »Sie haben ihn gekannt, ja?«, fragte er leise. »War ein netter Kerl. Schlimm, so zu sterben, wenn man noch so kleine Kinder hat.«
    »Nein, wir haben ihn nicht gekannt«, antwortete Monk und wandte sich mit dem Anflug eines Lächelns zu dem Mann um.
    »Aber wir kennen seine Schwester… und wir kennen die Kinder.«
    »Diese armen kleinen Dinger! Und Sie kennen sie?«, fragte der alte Mann erstaunt. »Wissen Sie, ich hätte nie gedacht, dass die beiden überhaupt noch leben. Sie haben Sie doch nicht zu sich genommen, oder?« Er sah Hester an und errötete dann. »Es tut mir Leid, Mrs….?« Er wusste nicht weiter und ließ die Anrede in der Luft
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