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Tödliche Option

Tödliche Option

Titel: Tödliche Option
Autoren: Annette Meyers
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weg.«
    Seine Augen waren schwarze Kugeln. Er sagte:
»Ich fühle meine Beine nicht.«
    Wetzon streichelte seine Hand.
    Er sah sie an und sagte: »Es tut mit leid,
Vater.«
    Die Sirenen füllten die Leere.

  Am Chatham Square bekamen sie schnell
ein Taxi. Smith war redselig, Wetzon schweigsam.
    »Alles in allem war es ein sehr einträglicher Nachmittag«,
sagte Smith. Sie klopfte auf ihre aufgeblähten Taschen.
    »Du darfst das Geld nicht behalten.«
    »Warum nicht? Was macht das schon, und wer merkt
es überhaupt?«
    »Smith!«
    »Was denn, die ganzen Leute auf der Straße haben
ihres bekommen, warum nicht auch wir?« Sie klopfte an die Trennscheibe aus
Plexiglas. »Fahrer, setzen Sie mich bitte an der 49. und First ab.«
    »Du gehst noch einmal ins Büro?«
    »Es ist noch früh. Ich möchte die Buchhaltung
abschließen, und außerdem habe ich meine Armbanduhr auf dem Schreibtisch
vergessen. Wir können uns allerdings jetzt auch einen Drink gönnen, wenn du
magst. Ich könnte einen brauchen.«
    »Nein: Ich habe genug. Ich gehe nach Hause.«
    Doch sie ging nicht heim, wenigstens nicht
direkt. Sie konnte nicht. Sie war aufgedreht, und ein Drink mit Smith war nicht
ihre liebste Methode, sich zu entspannen. Sie ließ sich bei Zabar’s absetzen. Sie würde etwas zu essen einkaufen. Ein Pfund Hummersalat, Eli Zabars
extradünnes Sauerteigbrot, einen herben Ziegenkäse aus Vermont, koffeinfreien
Espresso für kalten Kaffee. Sie würde Gemüse für einen hellen Gazpacho und Obst
für eine Torte kaufen. Häusliche Dinge verrichten.
    Silvestri war im Augenblick wohl im Bellevue, um
eine Aussage von David Kim zu erhalten. Er würde den Fall abschließen und nach
Hause kommen, und alles würde sein wie eh und je. Wirklich? Sie empfand eine
Angst, die an Vorahnung grenzte.
    Bei Zabar’s ging es gesittet zu, ohne das
übliche Gedränge bei Käse und Delikatessen. Wahrscheinlich, weil die Hitze die
Leute früh aus der Stadt vertrieben hatte.
    Der Himmel war bedeckt, als sie mit ihrer
Einkaufstasche aus Zabar’s herauskam. Endlich wollte es doch noch
regnen. Das könnte die lange Hitzeperiode beenden. Ein leichter Wind wehte von
Süden her den Broadway hoch und kühlte ihren Nacken.
    Sie machte bei einem asiatischen Obst- und
Gemüseladen halt und kaufte drei Schachteln Himbeeren für die Torte, eine
Gurke, Tomaten, Paprika. Mit Weißwein war sie dank Doug Culver für Monate
eingedeckt.
    Innen im Markt, in der Mitte, gab es eine große
Salatbar mit warmen und kalten Speisen. So eine würde sie nie mehr ansehen
können, ohne an David Kim zu denken. Er hatte sich mit der ansteckenden
Krankheit der Wall Street infiziert — Habgier. Gewiß, als Mathematiker in der
akademischen Welt hätte er nicht die Motivation oder Gelegenheit für solches
Geld gehabt, wie es in der Wall Street verdient wurde. Aber konnte man jemanden
mit guter Moral, einen ehrlichen Menschen, mitten in die nackte Habgier werfen
und glauben, er bliebe unverdorben? Ja. Ein Mensch mußte wohl bereits eine
Anlage zur Habsucht und Unehrlichkeit mitbringen. Die Gelegenheit veränderte
David Kim nicht; sie machte es ihm bloß leichter. Aber wie hatte er glauben
können, mit diesem Betrug ungestraft davonzukommen? Er hatte es nicht einmal
besonders schlau angestellt, es zu vertuschen. Aber so schlau waren sie nie. Er
hätte nach dem ersten Mord aufhören können — an dem Direktor der Rechtsabteilung.
Aber inzwischen hatte er das viele Geld, das er verdiente, lieben gelernt und
konnte nicht mehr Schluß machen. Er hielt sich für unbesiegbar. Als Dr. Ash
dann begann, ihn zu erpressen, tötete er wieder.
    Donner grollte leise in der Ferne. Irgendwo
regnete es — vielleicht Washington Heights, vielleicht New Jersey. Sie bog zu
ihrem Haus in der 86. Street ein. Lichtman’s, die wunderbare
österreich-ungarische Bäckerei, die an der Ecke 86. und Amsterdam gewesen war,
existierte nicht mehr, ein Opfer der steigenden Mieten, und an ihrer Stelle
befand sich jetzt ein Antiquitätengeschäft, das auf Kunstglas und Möbel der
Arts and Crafts-Bewegung spezialisiert war. Sie fragte sich, ob sie jemals
wieder eine Bäckerei finden würde, die eine so perfekte Schokoladenbabka
herstellte wie Lichtman‘s.
    Ein Blitz zuckte hinter einer violetten Wolke
und ließ ihren Rand glitzern. Der Regen war so nahe, daß Wetzon beinahe die
Feuchtigkeit auf dem Gesicht spürte.
    Ihre Wohnung war heiß und beengend wie ein Grab.
Sie ließ die Post auf der Theke bei den Himbeeren und dem
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