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Tödliche Option

Tödliche Option

Titel: Tödliche Option
Autoren: Annette Meyers
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Schlüssel.
    Ihr Herz hämmerte gegen die Rippen. Sie drehte
das nasse Nylon des Schirms in der Hand, bis er eine Keule war.
    »Na, wenigstens ist die Hitze vorbei«, bemerkte
die Frau. Sie nahm die Aktentasche in die andere Hand und hob die
Einkaufstasche auf. »Gute Nacht.« Sie stieg im fünfzehnten Stock aus.
    »Ja, gute Nacht.« Es schien Wetzon, als wolle
jeder sich unterhalten... und sie wollte mit niemandem reden. Sie stieg im
vierundzwanzigsten Stock aus und rannte über den Flur, den Schirm als Waffe
fest umklammert. Die Tür zu seiner Wohnung war geschlossen. Was hatte sie
erwartet? Sie drehte den Griff. Abgeschlossen. Also erwartete er sie vielleicht
doch nicht. Klingle, Dummkopf. Doch wenn sie zu spät kam und er es schon
getan hatte?
    Sie ging zum Aufzug zurück und drückte auf
Abwärts. Verschwinde von hier, dachte sie. Moment, was machte sie da?
Sie hatte den Schlüssel. Sie riß den Umschlag auf. Ja, es war ein Schlüssel.
Entschlossen ging sie wieder über den Flur auf die Tür zu. Laute Rockmusik kam
aus einer Wohnung. Sie hörte eine Frau jemanden anschreien, er solle den
Fernseher leiser stellen. Küchengerüche drangen auf den Flur. Aus Chris’
Wohnung kam kein Laut. Sie steckte den Schlüssel ins Schloß und öffnete die
Tür. Hinter ihr am Ende des Flurs ging die Aufzugtür auf und zwei Sanitäter
stiegen aus, gefolgt von einem uniformierten Polizisten.
    »Hierher«, rief sie, indem sie die Tür mit dem Schirm
aufstieß. Die Wohnung war dunkel und still. Sie trat zögernd ein. »Chris?« Sie
ging ins Wohnzimmer auf die Terrasse zu. Am Himmel zeigten sich Streifen in
rosa und blauer Färbung. Eine Decke, wahrscheinlich durch den Sturm von einer
anderen Terrasse weggeweht, hing schlaff von der Terrasse über Chris’ Wohnung
herunter. Sie baumelte und drehte sich im Wind.
    Die Männer vom Rettungsdienst kamen in die
Wohnung. Sie drehte sich nach ihnen um, dann musterte sie wieder die Decke. Sie
trug Schuhe, mit den Spitzen nach unten.

  Wetzon lehnte die Stirn an die kalte
Kühlschranktür; sie glühte innerlich. Die Tür war voller Zettel unter Hershey-Magneten:
ein Rezept für Geflügelfrikassee aus einer Zeitschrift, eine Kinderzeichnung
mit Buntstiften von einer Mutter, einem Vater und zwei Kindern. Der Vater war
riesengroß.
    Sie konnte sie arbeiten hören, im Wohnzimmer,
auf der Terrasse, beim Versuch, Chris herunterzuholen. Jemand war nach oben
gegangen, um das Seil durchzuschneiden, das er an das Geländer der Terrasse
direkt über seiner gebunden hatte.
    Ihr Magen hob sich. Ein Funksprechgerät knackte,
unterbrach Stimmen mitten im Satz. Sie hörte Stöhnen und einen Ruf, dann:
»Okay, leg ihn auf den Boden.«
    Es gab nichts zu tun, nichts, warum sie noch
hierbleiben sollte. Sie schlenderte aus der Küche, blieb kurz stehen und
betrachtete die Konturen der Männer, die sich um Chris bemühten, dann ging sie
durch die offene Tür auf den Flur. Nichts. Nichts zu tun. Leute standen in den
Türen ihrer Wohnungen. Jemand rief: »Wem ist schlecht?« Aber sie konnte nicht
klar sehen. Niemandem ist schlecht, antwortete sie im Geist. Die Leute
sahen alle aus, als befänden sie sich unter dickem Glas, vorquellend und Shimmy
tanzend. Was sagten sie? Sie verstand nichts.
    Sie trat ein wenig beiseite und sah sich selbst
den Abwärts-Knopf drücken und dann in den Aufzug steigen. Also folgte sie,
hielt sich eng an sich, damit niemand bemerkte, daß es zwei waren. Eine Frau in
Shorts mit Minnie-Mouse-Beinen, die in riesigen Laufschuhen endeten, dehnte,
gegen die Aufzugwand gestützt, ihre Kniesehnen. Sowie die Tür aufging, joggte
die Frau aus dem Aufzug, und Wetzon folgte ihr durch den Haupteingang, an zwei
Polizisten vorbei, die gerade hereingingen. Sirenen, wie Perlen an einer
Schnur, heulten, schwiegen, heulten, schwiegen, und Lichter drehten sich auf
dem weißen Notarztwagen, mischten Blau und Gelb mit den Lichtbändern auf den
zwei Streifenwagen, die gegen die Richtung vor dem Haus geparkt waren.
    Sie ließ sich von ihren Keds führen, und sie
brachten sie über die 29. Street und auf die Fifth Avenue zu.
    Der Himmel zeigte sich in Wasserfarben, und die
nasse Erde des Gartens roch süß und fruchtbar. Riesige Bäume schüttelten ihre
Blätter im sanften Wind und besprühten sie mit Regentropfen. Sie ging durch die
Pforte und unter dem Steinbogen durch den gewundenen Weg zur kleinen Kirche um
die Ecke hinauf.
    Sie öffnete die schwere Eichentür und trat durch
die Vorhalle in die Kirche ein.
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