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Tödliche Option

Tödliche Option

Titel: Tödliche Option
Autoren: Annette Meyers
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ein Unwetter«, meinte der Fahrer. »Na
ja. War auch einmal nötig.« Abe Kravitz. Ein schwerer Mann in den Sechzigern,
ein Schopf aus krausem grauem Haar. Aus seinem Funkgerät knisterte eine Stimme
und blendete aus, kam wieder und nannte eine Adresse in Greenwich Village.
Kravitz griff zum Mikrofon und sagte: »Ich bin in zehn Minuten bei der 29. und
Madison. Ich kann von dort zur 10. Street kommen, wenn Sie solange warten.«
    Einen Augenblick später stotterte das Funkgerät:
»Mrs. Goldsmith, sechs zehn West 10. Für dich reserviert, Abie.«
    Sie rasten auf der Querverbindung durch den Park
zur 65. Street, zur Park Avenue, dann rechts ab und Richtung Süden.
    »Schön gehört, daß die den Japs haben?«
    Wetzon sah verwirrt auf. »Wie bitte?«
    »Sie wissen doch, den Japs, der die
Wall-Street-Leute ermordet hat.«
    »Er ist kein Japaner, sondern Koreaner.«
    »Kommt aufs gleiche raus.«
    Wetzon brummte. Halt den Mund und fahr, dachte sie.
    »Lehnen Sie sich zurück, damit Sie sich nicht
weh tun.«
    Sie seufzte und hatte sich gerade zurückgelehnt,
als das Taxi von einem anderen Taxi, das in dem die Sicht behindernden Regen
plötzlich die Spur wechselte, gestreift wurde. Sie wurde aus den Sitz
geschleudert, setzte sich langsam wieder auf und lauschte in sich hinein. Sie
war nicht verletzt, aber verdammt, sie mußte zu Chris kommen, bevor er es tat.
Beide Fahrer sprangen heraus und schrien mit geballten Fäusten aufeinander ein.
    Wetzon kurbelte ihr Fenster herunter. »Fahren
wir weiter oder nicht?«
    Kravitz setzte sich wieder hinters Steuer und
sagte in Richtung Windschutzscheibe: »Tut mir leid.« Er schaltete die Uhr ab.
»Sie können zahlen und aussteigen oder warten, bis die Polizei kommt.« Auf
allen Seiten begannen Autos zu hupen. Der Lärm war ohrenbetäubend. Wetzon
wischte den Dunst von der Scheibe und sah, daß sie die Einmündung der 34.
Street blockierten. Dann war es also nicht mehr weit.
    »Ich kann nicht warten.« Sie gab ihm sieben
Dollar und ging in den Platzregen hinaus, spannte den Schirm auf und blinzelte,
um sich zurechtzufinden. Dann lief sie in mäßigem Dauerlauf die Park Avenue
hinunter. Nur fünf Straßen. Sie hörte in der Ferne eine Sirene über den
Autohupen — entweder zu dem Unfall unterwegs, oder möglicherweise hatte Smith
ihren Auftrag schon erledigt und war zu Silvestri durchgekommen.
    Warum mußte sie überhaupt hier sein, wenn man es
genau betrachtete? Weil Chris einen Anruf an sie gerichtet hatte. Das war
gehässig und feindselig. Schuld ist das Opfer. Und du mußt dich wieder zum
Opfer machen. Halte dich heraus. Kehre um und geh nach Hause. Du hast genug
getan.
    Laßt mich in Ruhe, sagte sie sich. Laßt es mich auf meine Weise
tun.
    Durchnäßt joggte sie auf der 29. Street in
westlicher Richtung zur Madison. Überall um sie herum lagen Bruchstücke von
Regenschirmen, zerrissene Skelette, auf den Bürgersteigen und Überwegen, aus Abfallkörben
ragend, in Fetzen gerissen. Ein New Yorker Ritual. Wie viele Schirme brachte
sie in einem Jahr durch — fünf, sechs, mehr?
    Der Regen hatte etwas nachgelassen, und Dampf
stieg aus Kanaldeckeln auf und schwebte wie träger Rauch zum Himmel.
    Sie flüchtete sich unter die Markise vor Chris’
Haus, schüttelte den Schirm aus und klappte ihn zu. Was sollte sie dem Portier
sagen? überlegte sie, als er ihr die Tür öffnete.
    »Ja, Miss?« Er erkannte sie offenbar.
    »Ich möchte Mr. Gorham besuchen. Er fühlt sich
nicht gut...«
    »Ihr Name?«
    Ihr war nicht wohl in ihrer Haut, sie trat mit
ihren nassen Keds von einem Bein aufs andere, zog das klamme T-Shirt von der
Brust weg, sah sich um. Eine Frau mit Aktentasche und Einkaufstasche von D’Agostino ging auf dem Weg zum Aufzug an ihr vorbei. Sie mußte in das Haus kommen, mußte
zu Chris, bevor...
    »Guten Abend, Mrs. Steinkoller«, sagte der
Portier. Er wandte sich wieder an Wetzon und wiederholte: »Ihr Name?«
    »Ms. Wetzon«. Sie fröstelte. Die Klimaanlage der
Halle ließ sie in den nassen Sachen frieren.
    »Gehen Sie gleich nach oben. Er erwartet Sie.
Vierundzwanzig L.« Er überreichte ihr einen Umschlag, und sie sah ihren Namen
in Schreibschrift daraufgeschrieben. Was hatte diese Vorkehrung zu bedeuten?
Sollte sie alles noch einmal erleben? Nein. Inzwischen war sie ein bißchen
klüger. Außerdem würde Silvestri kommen, der Rettungsdienst... Sie stieg mit
der Frau in den Aufzug ein und tastete den Umschlag ab. Er erwartete sie? Ja.
Der Umschlag enthielt einen
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