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Tödliche Option

Tödliche Option

Titel: Tödliche Option
Autoren: Annette Meyers
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waren diese
engen, nicht für den Autoverkehr geschaffenen Straßen von Lastern und
Personenwagen verstopft. Exotische Düfte mischten sich mit Müllgestank; eine
Bäckerei in einem anderen Straßenladen verkaufte Reiskuchen und
Mandelplätzchen, und die reglose Luft roch süßlich.
    »2904B Mott Street«, murmelte Wetzon. »Da ist
es.«
    Smith blickte sich suchend um. »Wenn man sie
braucht, sind sie natürlich nicht da.«
    »Wer?« Wetzon wurde von zwei älteren Chinesen angerempelt,
die sich nicht entschuldigten, sondern ihr Gespräch fortsetzten, als wären die
zwei Frauen Luft.
    »Die Bullen.« Smith betrachtete das Mietshaus
mit zusammengekniffenen Augen. »Nein. Da gehen wir nicht allein hinein.«
    Die Ladenfront des Gebäudes beherbergte ein
weiteres Restaurant, das Blue Flamingo Tea House. Durch die beschlagenen
Fenster spähend, sahen sie eine Imbißtheke, an der ein paar Leute saßen,
rauchend, mit Schüsseln vor sich. An der Seite standen Resopaltische, wo ein
alter Mann saß und Zeitung las.
    Rechts vom Restaurant und eine von Generationen
von Fußtritten ausgehöhlte Stufe höher befand sich eine Tür mit einem großen
schmutzigen Fenster. Wetzon hielt einer widerstrebenden Smith die Tür auf. Sie
betraten einen klammen, schmutzigen Vorraum; der schlammbraune Linoleumboden
war rissig und abgetreten. Der Gestank nach Urin und Schimmel überlagerte
alles. Sechs Briefkästen mit fehlenden oder durchgestrichenen und
darübergeschriebenen Namen waren an der rechten Wand angebracht. Jeder war mit
einem Buchstaben gekennzeichnet.
    »Ich gehe nach oben.« Wetzons Stimme klang hohl.
    »Hör auf mich«, sagte Smith mit heiserem
Flüstern. »Ich gehe nicht hinauf und du auch nicht. Wir könnten von
Mädchenhändlern entführt werden und auf Nimmerwiedersehen verschwinden.«
    Wetzon lachte schallend. »Du willst mich wohl
auf den Arm nehmen.«
    Die Tür zum Treppenhaus hing schief und halb
offen von der zerbrochenen oberen Angel, die protestierend quietschte, als
Wetzon sie ganz aufzog und hineinspähte. An einer schmutzverkrusteten Leitung
baumelte eine nackte Glühbirne, die eine so niedrige Leistung und ein so mit
Staub und Schmiere verkrustetes Glas hatte, daß sie kaum Licht abgab.
    Smith beugte sich über Wetzons Schulter, um das
düstere Treppenhaus und den Schmutz zu mustern, und schauderte trotz der
drückenden Hitze. »Das ist widerlich dort oben. Du kannst nicht...« Sie schob
Wetzon beiseite und blockierte den Eingang.
    »Ich bitte dich nicht, mitzukommen.
Genaugenommen ist es besser, du bleibst unten. Und ich habe keine Lust, hier
herumzustehen und zu streiten. Ich bin gleich wieder da. Laß mich vorbei.«
    Smith zuckte mit den Schultern und trat
beiseite, sehr vorsichtig, um nicht die schmierige Wand zu streifen. »Hier
warte ich nicht. Das stinkt ja zum Himmel.«
    »Dann warte draußen.« Wetzon mußte grinsen, als
sie sich die große, gertenschlanke Smith in Bürokleidung draußen auf der Straße
vorstellte, vor dem Blue Flamingo Tea House herumstehend wie eine Nutte.
    Die steile schmale Treppe war mit einem rissigen
Gummiläufer belegt, und das ganze enge Gebäude schien sich nach rechts zu
neigen. Stimmen und der gedämpfte Klang von klirrendem Porzellan und Geschirr
drangen durch die gesprungenen und abgestoßenen Wände.
    Am Ende der Treppe fand sie einen kurzen Flur,
zwei Türen und eine weitere Treppe nach oben. Irgendwo über ihr fing ein Kind
an, lauthals zu plärren. Schritte erschütterten das Gebäude, und das
Kindergeschrei hörte auf.
    Wetzon lauschte an der ersten Tür, wobei sie versuchte,
nichts zu berühren. Auf dem Treppenabsatz roch es nach Hühnersuppe, gemischt
mit bratendem Fleisch, Kohl, sämtlichen Gerüchen, die sich von denen, die hier
gestorben oder weggezogen waren, angesammelt hatten. Sie klopfte an die Tür.
Keine Reaktion. Schweiß tropfte ihr von der Stirn, von der Oberlippe. Sie
leckte die Lippen ab und schmeckte Salz. Mein Gott, dachte sie und
klopfte an die zweite Tür.
    »Beeil dich, ja«, rief Smith nervös von unten
herauf.
    Wetzon hob die Hand, um noch einmal zu klopfen,
doch die Tür öffnete sich einen Spalt, gerade weit genug, um zu sehen, daß
David Kim genauso entsetzt war, sie vor sich zu haben, wie umgekehrt. Selbst in
dem trüben gelblichen Licht aus dem Flur sah sein Gesicht weiß aus, die Haut
spannte sich über die Wangenknochen, die dunklen Augen waren eingesunken. Ein
Totenkopf.
    »Um Himmels willen, David.«
    Er wich ins Zimmer zurück, und sie
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