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Phobia: Thriller (German Edition)

Phobia: Thriller (German Edition)

Titel: Phobia: Thriller (German Edition)
Autoren: Wulf Dorn
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    1.
    Die Zweizimmerwohnung war muffig, beengend und düster. Das graue Licht des ersten Dezembernachmittags fand nur mühsam den Weg durch das einzige Fenster der Wohnküche. Gegenüber versperrte eine schmutzige Fassade die Sicht. Das rußgeschwärzte Mauerwerk erweckte den Eindruck, als sei die Welt jenseits des Fensters nach nur wenigen Metern zu Ende.
    Wäre nicht das gedämpfte Brummen des Brixtoner Feierabendverkehrs auf der nahen Coldharbour Lane zu hören gewesen, hätte er glauben können, in diesem Wohnblock bei lebendigem Leibe eingemauert zu sein.
    Ein tristes Grab.
    Er wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Endlich hatte das Scharren und Keuchen aufgehört. Es hatte nicht lange gedauert, nur ein oder zwei Minuten, dennoch war es ihm wie eine Ewigkeit vorgekommen. Diese hektischen, panischen Bewegungen im Raum nebenan. Das verzweifelte Ringen um Atem.
    Doch obwohl es nun wieder ruhig war, fühlte er keine Erleichterung. Angespannt lauschte er in die Stille, ob es wirklich zu Ende war.
    Dann nickte er. Ja, das Scharren war vorbei, ebenso das Keuchen, aber ab jetzt würden ihn diese Laute in seinem Kopf verfolgen – noch für lange Zeit, dessen war er sich sicher. Sie würden ihn in seinen Träumen heimsuchen, wie all die anderen Dämonen seiner Vergangenheit.
    Wie das Licht jenes Frühsommermorgens, das sich in den Schaufensterscheiben gespiegelt hat. Und Amys Lächeln. Gott, wie glücklich sie an diesem Morgen gewesen ist! Und dann die entsetzten Züge des Mannes, der …
    »Hör auf damit«, befahl er sich. »Hör sofort auf damit! Hast du verstanden?«
    Er ballte die Fäuste. Ihm war nach Davonlaufen zumute, aber dafür war es jetzt zu spät. Also kämpfte er gegen das bleierne Gefühl in seiner Brust an, das ihm das Atmen erschwerte, und holte tief Luft, wieder und wieder.
    Dann wandte er sich vom Fenster ab, ging zu dem kleinen Tisch neben dem Waschbecken in jener Ecke des Raumes, die als provisorische Küche diente, und schaltete beide Platten des Elektrokochers ein.
    Während er den Topf mit Wasser füllte, vermied er, in den Wandspiegel über dem Becken zu sehen. Er konnte seinen Anblick nicht ertragen. Ganz besonders heute nicht.
    Wie nicht anders zu erwarten, fand er in dem kleinen Wandregal nur billigen Tee aus dem Discounter. Gut, dass er daran gedacht hatte, einen Beutel seiner Lieblingssorte einzustecken, einen erlesenen Earl Grey, der mit Bergamotte-Öl versetzt war.
    Er tat den Beutel in eine Tasse und sah im Kühlschrank nach Milch. Dort befand sich eine angebrochene Flasche, aber der Inhalt roch sauer. Also griff er wieder in seine Jacke und holte ein Päckchen Milchpulver heraus, das er vorsorglich mitgebracht hatte. Dann sah er zur offenen Schlafzimmertür.
    Es war an der Zeit, zu Jay zu gehen, ehe das Wasser kochte. Allzu lange durfte er sich hier nicht mehr aufhalten, das hätte nicht seiner Routine entsprochen, aber die Tasse Tee war wichtig, sehr wichtig.
    Trotz aller inneren Widerstände ging er auf die Tür zu. Das Schlafzimmer war noch kleiner als die Wohnküche. Auch hier schienen die wenigen Einrichtungsgegenstände vom Sperrmüll zu stammen oder auf Flohmärkten zusammengetragen worden zu sein. Vielleicht in Camden Lock oder in der Portobello Road. Jays altes Revier. Er hatte eine Schwäche für Flohmärkte gehabt.
    Guter, alter Jay. Was hatte er ihm nur angetan?
    Den größten Teil des Schlafzimmers nahmen ein altmodisches Doppelbett und ein türenloser Wandschrank ein. Er erblickte die dürren Beine des Toten schon bevor er den Raum betrat.
    Jay lehnte seltsam verkrümmt gegen den Bettrahmen. Er war von der Matratze auf den Boden gerutscht, und fast sah es aus, als sei er im Sitzen eingeschlafen. Gottlob hatte er nun die Augen geschlossen, und auf seine hageren, mit weißen Bartstoppeln übersäten Zügen war ein friedlicher Ausdruck getreten. Nur die verkrampfte Haltung seiner Hände, das bläulich verfärbte Gesicht und der weiße Schaum, der ihm vom Mundwinkel troff, straften diesen Eindruck Lügen.
    »Ich hatte dir doch gesagt, du sollst dich hinlegen«, murmelte er ihm zu und nahm ihm die Kopfhörer ab.
    Dann griff er nach der klobigen Fernbedienung für den uralten Sanyo-Fernseher, der über dem Fußende des Bettes an einer Wandhalterung angebracht war. Er musste mehrmals auf den abgenutzten Ausschalter drücken, ehe die Bildröhre mit einem leisen Plopp-Geräusch erlosch, und es bedurfte ebenfalls mehrerer Anläufe, bis der nicht minder betagte DVD -Spieler den
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